Natur und Mensch

In­ter­view mit ei­ner Li­ve-Über­set­ze­rin

Was bedeutet es, „live“ zu übersetzen? 

Nataliia: Das bedeutet vor allem, dass man mit allen möglichen Situationen rechnen muss und deswegen auch spontan reagieren kann. Dazu zählen Probleme mit dem Mikrofon, Licht, unerwartete Reaktionen des Publikums und so weiter. Im vergangenen Jahr zum Beispiel hatte ich in meinen Vorbereitungen für den Film „Dancing Queen“, Husten. Und deswegen musste ich mir eine Taktik überlegen. Was sollte ich machen, um nicht zu husten? Was werde ich machen, falls ich anfange zu husten? 

Wie bist du auf die Idee gekommen, als Live-Übersetzerin zu arbeiten? Wolltest du das schon immer machen?  

Nataliia: Ich habe im Internet eine Anzeige gesehen, wo stand, dass die Berlinale einen Übersetzer oder eine Übersetzerin für eine Übersetzung und Einsprache für Ukrainisch sucht. Und dann habe ich mir gesagt: „Ich will das machen!“ Ich habe davor natürlich als Dolmetscherin und Übersetzerin gearbeitet. Ich war mehrere Jahre als Sängerin tätig und für mich war es überhaupt kein Problem, mit dem Publikum in Kontakt zu treten.  

Wie übst du für Aufführungen?

Nataliia: Ich schaue mir den Film an und übersetze den Text, den ich dazu bekomme. Danach korrigiere ich die Übersetzung. Danach noch einmal. Und noch einmal. Ich passe meine Einsprache an den Film an und mache weitere Korrekturen. Ich mache mir auch viele Notizen. Ich kann auch bei der Aufführung ein wenig improvisieren. 

Wie sieht so eine Aufführung aus? Stehst du allein vorne? Liest du ab oder sprichst du frei?

Nataliia: Ich sitze ganz hinten und habe meine Notizen dabei, die ich verwende. Ich lese meine Übersetzung ab. Aber wie gesagt, ab und zu kann ich spontan Änderungen machen. Das ist immer abhängig von der Situation.

Der Film Raíz, für den du sprichst, geht ja fast eineinhalb Stunden. Wie kommst du damit klar? Und was machst du, wenn du dich versprichst?

Nataliia: Problemlos eigentlich. Mir gefällt, was ich mache. Der Film könnte meinetwegen locker viel länger dauern. Außerdem muss man nicht immer sprechen. Es sind immer Pausen, in denen man sich ein bisschen erholen und einen Schluck Wasser trinken kann. 

Und falls ich mich verspreche, improvisiere ich. Danach mache ich einfach weiter. Fehler können passieren, das ist doch menschlich. Aber um weniger zu machen oder sie zu vermeiden, probe ich vorher viel.

Wo trittst du noch auf, wenn keine Berlinale ist?

Nataliia: Ich arbeite als Übersetzerin und Dolmetscherin. Jetzt ist das meine Haupttätigkeit. Ich nehme ab und zu aber sehr gerne an verschiedenen Projekten teil, wo ich Sprachaufnahmen oder Einsprachen mache oder singe.

Wenn man Übersetzer oder Übersetzerin werden möchte, wie viele Sprachen sollte man können?

Nataliia: Zumindest zwei. Man muss keine zehn Sprachen beherrschen, um ein guter Übersetzer zu sein. Aber man sollte seinen Job gut machen. Ich kenne selbst 5 Sprachen, aber arbeite nur mit 4 davon.

Hast du Tipps, wie man so viele Sprachen gleichzeitig sprechen lernt?

Nataliia: Am besten lernt man Sprachen nacheinander, um sie nicht zu vermischen. Das ist mein Tipp. Ich kann mir aber vorstellen, dass manche ganz anderes ticken und in der Lage sind, gleichzeitig mehrere Sprachen zu lernen. Persönlich würde ich davon abraten. 

Vielen Dank für das Interview!

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