Eure Geschichten

Der Au­gen­blick, der mein Le­ben ver­än­der­te (Teil 1)

Beim Fotografen

„Bitte lächeln, ja, so ist es gut! Klick!“ Ich sehe zuerst den Kameramann und dann Mum richtig genervt an. Wieso sollen meine Zwillingsschwester Amy und ich immer wie im Kindergarten einmal auf dem Schaukelpferd, dann auf der Rutsche und dann mit überdimensionalen Wachsmalkreiden fotografiert werden? Immerhin sind wir schon 14! Aber seit wir klein waren bestand Mum immer darauf, egal zu welchem Anlass, gefühlt jedem, den sie kennt oder auch nur einmal kurz begegnet ist, immer „süße“ Fotos von uns beiden schicken zu wollen. Wahrscheinlich hatte sie über die Jahre hinweg schon Tonnen von Fotopapier verbraucht. Aber das habe ich echt satt, denn weil, (nach Mums Meinung) die Bekannten sich langweilen, wenn sie ein Bild zweimal bekommen, werden wir gegen unseren Willen einmal monatlich zum Fotografen geschickt und später zum gemeinsamen Familienessen zu meiner Oma geschleift, die unglaublich nach Kohl stinkt und genauso verrückt ist wie Amy.

Und das will ja was heißen, denn wer Amys Zimmer betritt, befindet sich augenblicklich in einer ACDC-Welt mit eigener Kaugummiwand, an die jeder, der das Zimmer betritt, seinen Kaugummi kleben muss, damit sie für ihr Leben lang „tolle“ Erinnerungen hat und natürlich einen „wunderbaren“ Minze-Zitrone-Erdbeer-Banane-Anderesorten-Schimmel-Geruch besitzt und ihr Zimmer somit einzigartig ist. Dagegen hält sich mein Zimmer eher schlicht, obwohl es mit den Terrarien meiner Schlange Kleopatra, meiner Bartagame Neroline (es hatte sich zu spät herausgestellt, dass sie ein Weibchen ist) und meinen griechischen Landschildkröten Batty, Flummy und Sammy, die momentan im Gartengehege sein dürfen, da es für Juni so unglaublich heiß ist, vollgestellt ist.

Allerdings ist das kein Problem für mich ist, denn im Gegenteil, ich liebe Tiere und zwar alle. Wirklich alle! Jetzt könnte man denken, dass das alles viel zu viel für mich ist, sich um alle Tiere kümmern zu müssen, aber eigentlich ist es mir immer noch nicht genug! Deshalb besuche ich am Wochenende und nach der Schule ein Tierheim bei uns in der Nähe, um Mitty, einen Golden Retriever, auszuführen oder um einfach so zu helfen, in dem ich die Kaninchen oder Mäuse ausmisste. Außerdem trete ich in den Ferien gerne kleine Ferienjobs im Tierpark an und das macht mir wirklich am meisten Spaß! So viele Tiere, wohin man auch sieht, der absolute Wahnsinn!!!

„Klick!“, der Blitz der Kamera reißt mich in die Realität zurück. „Oh, wie schon die beiden doch so im Partnerlock sind!“, murmelt Mum Dad zu und dieser nickt wie gewohnt. Als ob sie uns in diesen Klamotten schön findet. Ich schaue auf mein pinkes Kleidchen mit weißen Blümchen und meine silbernen Ballerinas, die an meinen Füßen wetzten und so richtig unbequem sind. Meine Ohren erröten wahrscheinlich mittlerweile schon wieder, weil ich diese hässlichen Ohrringe echt nicht vertrage. Meine Schwester wirft mir einen gequälten Blick zu und verrät mir so, dass es ihr genauso geht wie mir. Obwohl Amy wirklich etwas seltsam ist, könnte ich ohne sie nicht leben, auch wenn wir uns nicht stundenlang unterhalten und nicht viel zusammen unternehmen. Bei ihr reicht es schon ihr einen Blick zuzuwerfen und ein bisschen zu lachen, zu weinen oder zu stöhnen und schon verstehen wir uns so, als ob wir drei Stunden miteinander geredet hätten.

Wenn man an Zwillinge denkt, denkt man wahrscheinlich sofort an gleiche Klamotten und Strategien, um Lehrer auszutricksen, aber so ist das nicht, denn abgesehen von unserem schulterlangen, schokoladenfarbigen Haar, unseren dunklen Augen und unserem spitzen Kinn haben wir überhaupt gar nichts gemeinsam; wir sind nicht einmal auf derselben Schule. „Kommt ihr nun bitte zu den Bobbycars?“, meint der Fotograf und kratzt sich am Kinn, „Und setzt euch jetzt bitte ungefähr so hin.“ Er demonstriert die Pose und stellt sich wieder hinter die Kamera, um ein hübsches Bild zu machen, aber Mum greift sofort ein: „Aber was glauben Sie denn? Haben sie etwa noch nie Zwillinge gesehen? Das geht überhaupt nicht!“ Dann sieht sie sich zu Dad um und dieser nickt, obwohl er selbst wahrscheinlich keinen blassen Schimmer hat: „Ja, ja, unerhört!“ Ich habe immer noch keine Ahnung von was die beiden sprechen und muss mir ein Lachen verkneifen, als ich in das verwirrte Gesicht des Fotografens sehe. „Schauen Sie doch mal Herr Fotograf! Ein blaues und ein rotes Bobbycar? Sie sind doch Zwillinge und dann müssen auch die Bobbycars dieselben Farben haben!“, fügt Mum hinzu und Amy und ich fühlen uns wie im Affenstall. Ich schaue Amy ins Gesicht und merke, dass sie anscheinend genauso rot im Gesicht ist wie ich. Oh, man! Wo soll das denn jetzt schon wieder hinführen? Manchmal kann Mum echt peinlich sein! Der arme Fotograf! Ja, ich glaube ihr habt jetzt gemerkt, wie komisch unsere Familie ist. Auf jeden Fall werden wir nächsten Monat dann wieder einen anderen Fotografen haben und ich glaube, dass das auch immer so weiter gehen wird.

Die Überraschung

Wie jeden Monat sitzen wir jetzt im Auto und fahren ca. 15 min zu Oma und Opa, die beide schon sehnsüchtig auf uns warten, wie Mum meint. „Können wir endlich mal ACDC anhören?“, fragt Amy bettelnd, aber bevor irgendjemand antwortet weiß sie die Antwort wahrscheinlich schon. „Aber nein, mein Schätzchen. Daddy will doch so gerne Mozart hören; die CD ist neu! Das musst du doch verstehen können.“ Wir biegen zweimal links ab und fahren auf der Landstraße an gefühlt hunderten Kühen und Hühnern vorbei. Ich würde alles dafür geben, jetzt bei Mitty zu sein, der heute beim Tierarzt geimpft wird und sich vermutlich ohne mich total in die Hose macht. Was für ein dämlicher Tag!

Nach unserer Ankunft werden wir eingehüllt in Kohlduft zum Tisch geführt, wo Oma mal wieder herumhüpft und den Tisch deckt: „Zoe, Amy, schön euch zu sehen! Haben euch Mum und Dad schon vom Lottogewinn erzählt?“ Ich schaue Oma verdutzt an: „Das wusste ich noch gar nicht. WOW! Wie viel hast du denn gewonnen?“ Amy freut sich anscheinend so für Oma, dass sie Oma um den Hals fällt und ihr einen dicken Schmatzer auf die Backe gibt. Letzteres macht meine Zwillingsschwester eigentlich nie! Nun kommen Mum und Dad, der sich mit Opa über Beethovens 5. Sinfonie austauscht, noch hinzu und meine Frage, wie viel meine Großmutter beim Lottospielen bekommen hat, geht im Gewirr völlig unter. Hoffentlich hat sie uns nicht schon wieder veräppelt oder irgendetwas falsch verstanden; letztes Jahr hat Opa ihr erzählt, dass er sich einen Ferrari gekauft hat, ein wenig später rief sie bei uns an und lud uns für eine Probefahrt ein. Aber in Wirklichkeit hatte Opa sich einen Modellbaukasten für ein Spielzeugauto gekauft.

Als wir alle endlich platzgenommen haben und sich auch Amy wieder beruhigt hat, wird der Schweinebraten mit Knödeln und Soße serviert. Schweinebraten!!! Normalerweise hätte Oma wissen müssen, dass ich Vegetarier bin. Schließlich esse ich schon Zeit 6 Jahren kein Fleisch mehr. Daher muss ich mich heute mit Knödeln begnügen, aber ich sage nichts, denn immerhin herrscht noch gute Stimmung und die will wegen des Lottogewinns nun wirklich nicht versauen. Nach einiger Zeit sind wir dann alle pappsatt und lehnen uns in die bequemen Sessel zurück. Alles ist ruhig und jeder ist zufrieden. Ausnahmsweise sogar ich. Diesen Moment ergreift Oma, indem sie aufsteht, sich zweimal räuspert, als ob sie ein Gedicht vortragen wolle und spricht: „Mmh, äh ja! Also…, ich mach‘s jetzt einfach kurz und knackig.“ Alle starren zu ihr hoch als wäre sie eine Lehrerin und warten gebannt, was jetzt wohl kommt. „Ich lade euch ein mit uns in den Familienurlaub nach New York zu fahren.“ Irgendwie weiß ich nicht genau, was ich von der Sache halten soll. Einerseits ist New York eine top moderne Stadt mit allem Drum und Dran, aber andererseits weiß ich auch nicht wie lange wir dortbleiben werden und was ich mit meinen Haustieren machen soll; nur mit meiner Schlange Kleopatra werde ich kein Problem haben. Die kommt nämlich sage und schreibe vier Wochen ohne Futter aus.

Die erste die sich aus der Starre löst, ist Amy: „Cool! Abgefahren! Da gibt’s doch ein riesiges ACDC-Museum! Können wir da hin?“ „Jetzt mal langsam, Amy. So ein großes Geschenk können wir doch gar nicht annehmen!“, sagt Dad so, als ob er der vernünftigste und der schlauste Mensch des ganzen Landes währe. „Natürlich könnt ihr das, also wirklich Dieter! Erstens darf eine Mutter ihrem Sohn mit seiner Familie Geschenke machen und zweitens darf eine Mutter das erst recht machen, wenn sie gerade im Lotto gewonnen hat und nicht weiß, in was sie die Kohle sonst investieren soll!!!“, schimpft meine Großmutter mit meinem Vater, als wäre er noch ein kleiner Junge und so ist die Sache gebongt.      

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Eure Kommentare

In ein paar Tagen kommt der zweite Teil raus! 

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Wie geht es weiter?

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Ich finde den Bericht sehr spannend und werde bald auch einen senden

Ja, echt tolle Geschichte!! Ich finde es echt cool! Freue mich auf die Fortsetzung! Und Herzlich Willkommen! ❤️💛💚💙💜💞

Deine Lilly 💖

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Deine Geschichte ist die Beste

Ich find's sehr Interessant! Mag ich gern!

Wow und herzlich Willkommen auf Kindersache! So eine lange Geschichte! Mega! LG, Clari

wilkommen

 

Ja, ich bin neu hier. 👋🏻

Danke 😊 

Toll.

Du bist neu, oder?

Herzlich willkommen auf Kindersache