Natur und Mensch

Un­se­re ukrai­ni­sche Gast­fa­mi­lie - ein In­ter­view

Vorab: Nehmt es nicht böse, wenn ich die Fragen zum Vater und zur Vergangenheit von der Familie weglasse. Ich glaube, das würden sie nicht wollen und das meiste weiß ich selber auch nicht.

Senga fragte:

Wie seid ihr darauf gekommen, dass ihr eine Familie aufnehmen könntet?

Meine Eltern hatten früher selbst große Probleme und hätten sich gewünscht, dass jemand ihnen hilft. Deswegen wollen sie jetzt auch anderen helfen. Sie hätten es auch schon früher gemacht, zum Beispiel kamen ja 2015 sehr viele syrische und andere Flüchtlinge aus Kriegen hierher. Aber da wussten sie nicht, dass man jemanden auch aufnehmen kann. Wir wollen das in der Zukunft aber bei allen Flüchtlingen anbieten.

Senga fragte:

Gibt es an eurer Schule auch so eine Klasse, wo man nicht so viel Deutsch sprechen muss?

Nein, an meiner Schule sind gar keine neuen Kinder aus der Ukraine. Das liegt daran, das es keine normale Schule ist, sondern es ist eine sogenannte "Eliteschule des Sports" und die ist nicht offen für alle. Man muss bestimmte Prüfungen bestehen, um aufgenommen zu werden. Deswegen werden die geflüchteten Kinder auf andere Schulen aufgeteilt und nicht auf unsere. Das finde ich ziemlich schade, weil die Schule groß genug wäre, um noch Kinder aufzunehmen. Aber die Schule, auf die mein Gastbruder geht, hat eine Willkommensklasse. Da haben sie besonders viel Deutschunterricht und auch ein Deutschbuch, was für nicht deutschsprechende Kinder ist.

Senga fragte:

Kannst du auch ein bisschen ukrainisch?

Ja, ich habe schon ein bisschen Ukrainisch gelernt. Ich kann ein paar Sätze und auch sehr viel einzelne Wörter, aber aus den meisten Wörtern kann ich nicht selbst eigene Sätze ausdenken, weil ich die Grammatik nicht weiß. Aber so etwas wie "Hallo, wie geht's dir?, ich heiße..., was wollen wir spielen?" und so weiter habe ich von meinem Gastbruder gelernt.

Senga fragte:

Merkt ihr im Haushalt, dass ihr mehr Personen seid?

Es ist immer jemand da. Die Gastmutter kocht auch öfters etwas und dann essen wir was anderes als sonst. Aber sie hat ein paar Mal auch ausversehen Schwein gekauft (in unserer Familie wird kein Schwein gegessen), aber es war nicht so schlimm. Jedenfalls ist der Kühlschrank voller, weil sie ein paar Sachen für sich haben. Und ich kann nicht mehr immer in den Keller gehen, weil dort ihr Zimmer ist und ich soll sie nicht stören. Und mein Trampolin wird jetzt quasi IMMER benutzt. Das finde ich richtig cool. Es ist auch nie langweilig, selbst wenn ich mal keine Freunde treffen kann, kann ich mit jemandem spielen. Und wenn die Gastmutter im Internet ist für ihre Arbeit, dann ist unser Internet langsamer, das merkt man auch oft.

-Aurela- fragte:

Habt ihr euch schnell angefreundet?

Ja sehr schnell! Wir sind jetzt auch Freunde fürs Leben und haben Freundschaftsarmbänder für den anderen gemacht jeweils. Also ich rede gerade vom Jungen. Mit dem Mädchen spiele ich auch, aber wir sind jetzt keine "Freunde" in dem Sinne, weil sie halt erst 5 Jahre alt ist.

Schneeeule und -Aurela- fragten:

Wie habt ihr euch verständigt, als die Familie noch kein Deutsch konnte?

Google Translate und das benutzen wir auch immer noch, weil keiner in nur einem Monat super Deutsch lernen kann natürlich. Der Junge hat am meisten gelernt, weil er am besten integriert wurde. Das Mädchen versteht auch sehr viel Deutsch, aber sie redet nicht so viel und die Mutter findet es sehr schwer deutsch zu lernen. Da benutzen wir Google Translate am meisten und wir haben auch so ein Bilderwörterbuch, was wir manchmal benutzen.

Jetzt noch Fragen, die meine Mutter und ein paar Freunde vorgeschlagen haben:

Übernehmen eure Mitbewohner einige Arbeiten im Haushalt oder macht ihr alles?

Jeder macht was! Außer der kleinsten. Also der Junge hat die gleichen Aufgaben wie ich und wir machen es meistens zusammen, also Tisch decken und solche Sachen. Die Gastmutter macht auch sehr viel, sie kocht sogar oft und das hilft meinen Eltern sehr, weil sie auch viel arbeiten. Und sie putzt auch viel, obwohl das meine Eltern  wollten, aber sie meinte, sie fühlt sich schlecht sonst und das war dann auch verständlich, obwohl sie sich natürlich nicht schlecht fühlen muss.

Wie habt ihr die Drei untergebracht?

Sie haben ein Zimmer im Keller, also kein gruseliger Keller sondern einer mit normalen Zimmern. In dem Zimmer ist ein Doppelbett und noch eine Matratze. Die ist aber auch gemütlich, wir hatten nur kein richtiges Bett mehr übrig. Die kleine will immer mit ihrer Mutter zusammen schlafen und deswegen haben sie das Doppelbett bekommen und der Junge hat die Mattratze. Sie haben auch ein eigenes Badezimmer, was wir in der Zeit jetzt nicht benutzen.

Wie kam es zustande, dass sie bei euch eingezogen sind? Habt ihr euch bei irgendeinem Programm angemeldet?

Ja, es gibt ein Programm dafür, aber das gibt es nur in meiner Region und deswegen kann ich den Namen nicht sagen, weil ihr dann wisst, in welcher Region ich wohne. Aber bestimmt hat fast jede Region so ein Programm. Bei uns war es so, da gab es einfach eine Telefonnummer und eine Email-Adresse und das stand in der Zeitung und da haben meine Eltern dann angerufen und gefragt, wie es alles funktionieren würde und haben dann gesagt, wie viele Leute wir aufnehmen könnten und wir haben vier Personen gesagt.

Wie lief das Kennenlernen ab: Haben sie einfach irgendwann mit den Koffern vor eurer Tür gestanden?

Nein, es war so: Wir wurden angerufen und sie haben uns gesagt, welche Familie in Frage käme und ob wir sie aufnehmen würden. Wir haben "ja" gesagt und dann mussten wir zu so einem Büro fahren und dort waren alle zusammen und hatten auch ihre Koffer dabei und dort haben wir uns dann kennengelernt. Die Erwachsenen haben Papierkram gemacht und ich habe direkt mit dem Jungen und seiner kleinen Schwester gespielt, also zumindest versucht, gerade die Kleine war sehr schüchtern. Aber der Junge hat mir direkt so ein Klopf-Spiel beigebracht, also wir haben abwechselnd einen Rhythmus geklopft auf einen Tisch und mussten halt dabei auch lachen und dann war es direkt nicht mehr komisch. Und mein Bruder war sehr schüchtern, ich glaube für ihn war es komischer.

Was machst du mit deinen Gastgeschwistern so?

Mit dem Jungen spiele ich am meisten. Wir spielen Fußball, Tischtennis, fahren Fahrrad oder Inliner und so weiter. Wir malen auch zusammen und haben von einer Bastelsendung was nachgebastelt. Ich bringe ihm auch Turnübungen bei, also Handstand-Überschlag und so weiter. Wir spielen auch Deutsch-Spiele, wo ich auf etwas zeige und dann 3 Wörter sage und er muss raten, welches das richtige Wort ist. Zum Beispiel zeige ich auf das Fenster und sage dann "das Fenster, die Tür, der Boden" und dann muss er raten, dass "das Fenster" das richtige Wort war. Wir machen das auch anders herum, also er bringt mir so ukrainisch bei. Mit dem Mädchen spiele ich auch (Trampolin, Playmobil) und wenn sie auszieht (was leider sehr bald passieren wird, weil sie eine Wohnung gefunden haben!) schenke ich ihr sehr viel von meinen Playmobilsachen, auch weil ich mit den meisten nicht mehr spiele.

Habt ihr viele Missverständnisse?

Ja, es kommt oft vor. Ich finde das aber nicht so schlimm, ist ja normal! Am Anfang von Ramadan haben wir zum Beispiel erklärt, dass mein Vater fastet wegen Ramadan. Sie hat das aber so verstanden, dass er eine Diät machen muss und dann hat sie ihm einen Salat gemacht, das war echt witzig und ihr war das dann so peinlich, wo sie dann verstanden hat, dass er religiös fastet und deswegen den ganzen Tag nichts isst bis Iftar. Aber dann hat sie auch richtig darüber gelacht.

Viele Missverständnisse passieren weil Google Translate nicht so perfekt ist und weil wir vieles auch sehr verschieden machen, also die Sitten sind verschieden. Zum Beispiel darf man in der Ukraine jemandem nichts durch eine Türschwelle reichen, also stellt euch vor jemand steht auf einer Seite der Tür und jemand andres auf der anderen Seite, dann reicht man der Person nichts über diese "Grenze" hinweg. Und dreimal dürft ihr raten, wer genau das gemacht hat. Ja, ich! Da hat sie es dann nicht angenommen, sondern mich auf ihre Seite der Tür gezogen und erst dann es angenommen. Da hab ich gar nicht verstanden, warum und danach hat sie es erklärt.

 

Ich hoffe ihr habt jetzt eine Vorstellung wie es ist, jemanden aufzunehmen. Wenn ihr noch mehr Fragen habt, dann schreibt einen Kommentar! Ich werde darauf antworten! 

 

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Eure Kommentare

Ich finde das sehr nett und echt sozial von euch!!

Wie alt ist der Junge und werdet ihr nach dem Auszug noch befreundet sein?

Haben die Kinder ukrainische Namen?

LG Lena

Das ist sehr interessant! Du kannst gerne noch mehr darüber erzählen, wenn du willst. Das hilft bestimmt auch Leuten, die überlegen Flüchtlinge aufzunehmen. Bei uns geht es leider nicht, aber ich habe einer Mitschülerin davon erzählt, die gemeint hat, sie hätten Platz, aber sie weiß nicht, wie sie ihre Eltern überzeugen kann, die kennen sich nämlich nicht aus, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.

Ich finde das Interview richtig interessant!

Ich finde es voll toll dass ihr eine Gastfamilie aufgenommen habt. Meine Eltern hatten das auch überlegt aber sich dann dagegen entschieden weil wir das nicht schaffen würden. Und die Idee mit den Interview war auch voll gut.😁😁😁

Das Interview war toll und es ist wirklich super von euch, eine ukrainische Familie aufzunehmen! An der Grundschule meiner Mutter und meines Bruders sind auch ukrainische Kinder. Bei uns so weit ich weiß aber nicht. Das liegt aber auch daran, dass unsere Klassen mit 32 Kindern wirklich überfüllt sind. Die neuen fünften Klassen sind jetzt allerdings vierzügig und demnach kleiner. Also wäre Platz für ukrainische Kinder. Es regt mich aber einfach auf, weil meine Mutter mit unserem Schulleiter telefoniert hat, da sie Lehrerin einer vierten Klasse ist, und die ukrainischen Kinder in weiterführende Schulen untergebracht werden müssen und er dort meinte, die Klassen wären überfüllt. Das sind sie aber nunmal nicht und es ist echt doof, sich so darauszureden. Ich meine irgendwer muss die Kinder ja an der Schule aufnehmen, aber wenn das keiner will geht es ja nicht. Tschuldige, bin vom Thema abgeschweift...

Es freut mich, dass euch das Interview gefallen hat!

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Ein sehr tolles Interview.

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Ja,wirklich

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Echt cool das ihr euch für sie einsetzt!

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Ich finde es toll das deine Familie sich für Flüchtlinge sorgt!!!!!!!!‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️‼️