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Ein Kind steht mit seinen zwei Mamas vor einer Pinnwand. Es zeigt auf die Pinnwand, auf der Kinderrechte steht und auf der ein paar weitere Informationen angeheftet sind.
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Portrait Christa Kaletsch
Name
Christa Kaletsch
Kurztext

Christa Kaletsch (M. A. Fachjournalismus Geschichte und Menschenrechte) ist Vorsitzende von Makista e. V. Seit über 20 Jahren ist sie als freie Fortbildnerin, Autorin und Konzeptentwicklerin in den Bereichen Demokratie, Menschenrechtsbildung, Partizipation und Zivilcourage in Schulen und Kitas tätig, u. a. im Schulnetzwerk für Kinderrechte und Demokratie Hessen sowie im Projekt „Zusammenleben neu gestalten“ der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik Landesverband Hessen.

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Mit den Kinderrechten Schule gemeinsam entwickeln – Eltern als Partner*innen für eine demokratische Schulkultur

Für Christa Kaletsch vom Schulnetzwerk für Kinderrechte und Demokratie Hessen spielen Eltern eine wichtige Rolle für eine Kultur der Kinderrechte an Schulen. In Ihrem Beitrag gibt sie Anregungen, wie Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte mit Eltern zu den Kinderrechten ins Gespräch kommen und sie als Partner*innen gewinnen können. Abschließend stellt sie einige Methoden vor, um einen Austausch mit Erziehungsberechtigten anzustoßen.

Die Kinderrechte als gemeinsamer Bezugsrahmen

„Gemeinsam“ – dieses Wort ist entscheidend, wenn Schulen zu einem interaktiven Nachmittag mit Eltern [1] einladen, der über Kinderrechte und deren Umsetzung im pädagogischen Alltag informiert. Bevor eine solche Veranstaltung geplant wird (oder die Schule in Bezug auf weitere kinderrechtsbasierte Elternarbeit tätig wird), empfiehlt sich also folgender Fokus:

Gemeinsam entwickeln wir uns weiter. Im Bewusstsein, dass selbstverständlich Lehrer*innen, Pädagog*innen und Erziehungsberechtigte in der Regel das Beste für das (eigene) Kind und das Beste für alle Kinder wollen, knüpfen wir ein Band des untereinander solidarischen Interesses für die Realisierung der Kinderrechte. Es ist ein Miteinander, in dem sich diejenigen Halt geben und bestärken, die sich engagieren wollen.

Selbstverständlich gibt es in den Kreisen der Eltern (ebenso wie im Kollegium) Menschen, die sich (noch) nicht für die Umsetzung der Kinderrechte interessieren und solche, die der Sache skeptisch oder gar ablehnend entgegenstehen. Es ist aber wichtig, an der Auseinandersetzung mit den Skeptiker*innen nicht zu viel Energie zu verlieren und noch viel wichtiger, Eltern nicht auf einige Wenige zu reduzieren oder zu pauschalisieren. Nicht selten sind Vorstellungen von Eltern, die sich einer Kinderrechtebildung versperren, der Ausgangspunkt für den formulierten Bedarf, man müsse die Eltern in die Arbeit mit und zu den Kinderrechten stärker einbeziehen.

Aber ein Perspektivwechsel wie eingangs beschrieben kann helfen, zum einen die eigene (pädagogische) Haltung zu reflektieren und zum anderen viele Menschen anzusprechen, um sie für eine Beschäftigung mit den Kinderrechten für ein gelungenes Miteinander zu gewinnen. Die Resonanz auf entsprechende Angebote zeigt, dass das Interesse groß ist und viele Eltern verblüfft feststellen, wie viel sie bisher nicht wussten und wie gewinnbringend es sein kann, die Kinderrechte als Bezugsrahmen im Alltagshandeln auch in Kooperation mit der Schule zu nutzen.

Eine gemeinsame Informationsgrundlage schaffen: Basics der UN-Kinderrechtskonvention

Informationen zu zentralen Themen der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK), die in kleine Häppchen verpackt sind und durch aktivierende Methoden zum Mitmachen animieren, können Neugierde und Interesse bei Erziehungsberechtigten wecken. Zum Beispiel in Form von einer Skalierungsmethode, in denen Aussagen zur UN-KRK bewertet werden.

„Kinderrechte-Meinungsbarometer“

In dieser Methode positionieren sich die Teilnehmenden Erwachsenen im Raum, z.B. auf einer imaginären Linie, auf einer Skala zwischen Zustimmung und Ablehnung in Bezug auf Thesen oder Fragen zu den Kinderrechten. Zum Beispiel: „Mit den Kinderrechten kenne ich mich schon ziemlich gut aus“. Wenn die Positionen eingenommen worden sind, können diese gern auch begründet werden.

Das erzeugt eine innere Beteiligung, die es erleichtert auch nach einem anstrengenden Arbeits- oder Betreuungstag neue Informationen aufzunehmen. Wichtig ist in dem Zusammenhang Grundlagen der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) deutlich zu machen:

  • Die UN-KRK ist das bisher umfassendste Menschenrechtspapier.
  • Sie vereint bürgerliche Freiheitsrechte mit den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechten.
  • Sie erkennt Kinder als Rechtssubjekte.
  • Kinder sind Menschen in einer besonderen Lebensphase.

Auch das Verhältnis zwischen Kindern als Rechteträger*innen und Erwachsenen als Pflichtenträger*innen sollte deutlich werden: „Als 'Seiende' sind sie einerseits Menschen wie alle anderen auch. Als 'Werdende' sind sie andererseits Menschen in einer besonders dynamischen Entwicklungsphase. Das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern ist asymmetrisch: Erwachsene tragen Verantwortung für Kinder, nicht jedoch umgekehrt Kinder in gleicher Weise für Erwachsene." (Maywald 2012, 15)

Zur Beschäftigung mit den Kinderrechte motivieren: Potentiale der Kinderrechte deutlich machen

Um Eltern über die Grundlagenvermittlung hinaus zur Beschäftigung mit und zur Umsetzung der Kinderrechte zu motivieren, empfiehlt sich die Thematisierung der Kinderrechte unter den folgenden vier Perspektiven.

Potential 1: Innovation und Stärkung demokratischer Verhältnisse

Die Kinderrechte stärken Kinder, Jugendliche, Eltern und die Gesellschaft insgesamt. Mit Bezug auf die UN-KRK lässt sich viel bewirken, auf Missstände reagieren oder zukunftstaugliche Ideen entwickeln. Dies ist vielen Menschen (noch) nicht bekannt, aber u. a. durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie und den anhaltenden Klimawandel wird das Bewusstsein für die Probleme und damit auch das Interesse an der Orientierung an den Kinderrechten größer.

Das zeigt sich beispielsweise in dem Plädoyer des Deutschen Ärztetags (vgl. Deutscher Ärzteverlag 2022) als Reaktion auf Fehlentscheidungen während der Pandemie, sich an den Kinderrechten zu orientieren und sie vollumfänglich ins Grundgesetz aufzunehmen. Die Notwendigkeit, demokratische Gesellschaften als lernende Gesellschaften zu begreifen, wird deutlich.

Auch Befragungen von Kindern und Jugendlichen sowie Familien zum Leben in der Pandemie machen Lust, sich intensiver mit den Kinderrechten zu befassen und darin eine Chance zu sehen, eine familienfreundlichere Politik und Herangehensweise zu fordern: Gemeinsam, solidarisch für bessere Lebensumstände zur Durchsetzung des Rechts auf Entwicklung.

Es sollte deutlich werden: Eine Ausrichtung an den Kindern und ihren Rechten ist automatisch eine Ausrichtung auf die Zukunft.

Potential 2: Stärkung heterogenitätssensibler, diskriminierungs- und rassismuskritischer Herangehensweisen

Ein zweites zentrales Themenfeld motiviert Menschen, sich mit den Kinderrechten zu beschäftigen und diese als Unterstützung ihrer Interessen wahrzunehmen: die Stärkung heterogenitätssensibler, diskriminierungs- und rassismuskritischer Herangehensweisen. Mehr und mehr Eltern mit Diskriminierungserfahrungen erkennen den Bezug auf die UN-KRK und das darin formulierte Gleichheitsgebot als Chance, Reflexionsprozesse in Bildungseinrichtungen anstoßen und so zum Empowerment ihrer Kinder beitragen zu können.

Kinderrechtebildung in Schulen, die alle Eltern mitnehmen möchte, muss sich aktiv mit dem Bezug auf das Recht auf Nichtdiskriminierung (in der Verschränkung zu allen anderen Prinzipien von Schutz, Förderung und Beteiligung) auseinandersetzen.

Zentral ist dabei: Die UN-Kinderrechtskonvention hat bereits den Rang eines Bundesgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich im Zweifelsfall zumeist an der UN-KRK. So auch in Bezug auf Fragen der nachhaltigen Entwicklung (vgl. Bundesverfassungsgericht 2021). Im Jahr 2010 wurde der in der UN-KRK ursprünglich formulierte Vorbehalt, die Konvention gelte für geflüchtete Kinder in Deutschland nur eingeschränkt, zurückgenommen. Das hatte Konsequenzen für die Stärkung aller in Deutschland lebender Kinder und Jugendlicher.

Eine Erwähnung dieses Sachverhalts gegenüber den Erziehungsberechtigten eröffnet einen konstruktiv-kritischen Weg der deutlich macht: Wir an der Schule wissen um die Verletzungsgefahr der negativ von Antisemitismus und Rassismus betroffenen Menschen und die gesellschaftlich relevanten Entwicklungsbedarfe. Um eine alle Mitglieder der Schule einladende „Kultur der Kinderrechte“ zu schaffen, machen wir uns auf den Weg rassistische, antisemitische und heteronormative Wissensbestände aufzuspüren, Spiele, Rituale zu überdenken, Bücher kritisch zu lesen und insgesamt heterogenitätssensible Materialien zu verwenden.

Kritische Einordnung

Nicht selten hören wir in unserer Bildungsarbeit von Schlüsselakteur*innen in Schulen zu Beginn von Willkommens-Projekten für neu angekommene Familien Aussagen wie die folgende, die wir hier kritisch einordnen möchten: „Menschen mit Fluchterfahrung haben Kinderrechtebildung besonders nötig, weil sie aus Ländern kommen, in denen keine Demokratie herrscht/ Menschenrechte nicht so selbstverständlich gelebt werden wie bei uns“. Das gilt eben gerade nicht und darf nicht die Haltung einer Kooperation mit Eltern prägen. In dieser Aussage reproduziert sich ein paternalistischer Gestus, der eine Begegnung auf Augenhöhe erschwert. Sie birgt darüber hinaus die Gefahr, sich vor einer Wahrnehmung der auch in Deutschland bestehenden Verletzungspotentiale der Kinderrechte zu verschließen.

Potential 3: Empowerment – warum ein positiver Bezug auf die Kinderrechte wichtig ist

Grundsätzlich empfiehlt sich in der Elternzusammenarbeit die Chancen der Kinderrechte und ihre konkrete Relevanz vor Ort im Alltag in den Mittelpunkt zu stellen. Es macht einen großen Unterschied, ob wir Menschen- und Kinderrechte über Beispiele von schweren Verstößen (Folter, Kinderarbeit, Kindersoldaten o. Ä.) einführen oder aber sie vor allem in ihrem Entwicklungspotential begreifen und uns bewusst machen, dass Kinder und Jugendliche gute Ideen haben und gerne Verantwortung (für ihre Anliegen und die anderer Kinder) übernehmen.

Wenn in einem Impuls oder Gespräch rund um die Kinderrechte niedrigschwellige Alltagsbeispiele vorkommen, die den Erziehungsberechtigten zeigen, was passiert, wenn Pädagog*innen Kindern Dinge zutrauen, vermitteln sich zwei grundlegend wichtige Botschaften, die zu einem gemeinsamen Tun einladen und möglicherweise vorhandenen Ängsten vor Beschämung und Kontrolle oder Kritik proaktiv und konstruktiv begegnen.

  1. Die Erziehungsberechtigten erfahren etwas Positives über (ihre) Kinder. Sie erleben, dass auf Kinder mit einem wertschätzenden und ihnen etwas zutrauenden Blick geschaut wird.
  2. Sie erfahren von den positiven Effekten, die diese Herangehensweise hervorrufen kann. Das Verhalten der Pädagog*innen, die das Recht der Kinder auf Partizipation ernstnehmen und umsetzen, kann beispielgebend sein und animieren, über Gelegenheitsräume zur Verantwortungsübernahme und Beteiligung im Familienalltag nachzudenken.

Vielleicht fallen den Erziehungsberechtigten Beispiele ein, wo sie dies bereits praktizieren und welche positiven Effekte das hat. Die Eltern erleben in diesem Setting Wertschätzung – und dass sie nicht vorgeführt werden.

Potential 4: Kinderrechte explizit benennen

Darauf aufbauend kann mit Erziehungsberechtigten auch die Bedeutung einer expliziten Benennung der Kinderrechte thematisiert werden. Ausgehend von der Grundannahme, dass Erwachsene in der Regel in ihrem Umgang mit Kindern ganz selbstverständlich viele Kinderrechte achten und umsetzen und ihnen dabei oft ihre Kinderrechtsorientierung nicht bewusst ist, lässt sich leicht eine Brücke dahingehend schlagen, die Erwachsenen dazu zu motivieren, die Kinderrechte auch konkret auszusprechen.

Wenn Kinder über ihre Rechte Bescheid wissen, fällt es ihnen leichter im Falle eines Ereignisses, in dem sie verletzt werden, Worte zu finden und sich zu behaupten.

Die Kinderrechte zu benennen ist dann eigentlich nichts besonders Neues, Zusätzliches oder Aufwendiges. Es ist im Prinzip eine kleine Sache mit einer sehr großen Wirkung. Zum Beispiel: "Ihr Kinder habt das Recht bei Entscheidungen in der Schule, die für Euch wichtig sind, mitbestimmen zu dürfen, deshalb sitzen wir jede Woche hier im Klassenrat zusammen." Oder: "Ich schaue nicht ohne dich zu fragen in deinen Schulranzen, weil du ein Recht auf Privatsphäre und Geheimnisse hast."

Im gemeinsamen Tun setzen sich Lehrer*innen, Pädagog*innen und Eltern so dafür ein, dass Kinder ihre Rechte kennen lernen und erleben, dass sie im Sinne der Kinderrechte aufwachsen können. Diese Orientierung spiegelt sich auch in den drei Ebenen der Menschenrechtsbildung wider: Wissen über, Erleben durch und Handeln für Menschenrechte.

Gerade in der frühkindlichen Bildung und dem Alltag in der Grundschule steht zwar das Erleben einer Atmosphäre der Kinderrechte im Vordergrund, das prozesshafte Verstehen der Kinderrechte kann und sollte aber immer durch das kindgerechte „Übersetzen“ und Nennen der Rechte begleitet werden.

Kultur der Kinderrechte aufbauen

Lehrer*innen und Eltern können sich darauf verständigen, sich in ihrem Tun an den Kinderrechten zu orientieren. Die Kinderrechte werden so zu einem Bezugspunkt, der die Grundlage für die Entwicklung einer konstruktiven Kultur des Miteinanders werden kann. Es geht dabei nicht darum, die Kinderrechte als eine Art Kontroll-Instrument einzuführen. Vielmehr kann es helfen, einzelne Situationen vor dem Hintergrund der Kinderrechte zu betrachten und zu schauen, welche Berührungspunkte sich ergeben, welche Rechte möglicherweise in Konflikt geraten und warum welchem Recht in einer bestimmten konkreten Situation der Vorrang gegeben werden sollte.

Dabei macht es einen Unterschied, sich über die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen Gedanken zu machen oder sich klar vor Augen zu führen, um welche Rechte es geht und welche drohen verletzt oder vernachlässigt zu werden. Ein rechtebasiertes Verständnis rückt Kinder und Jugendliche als (Recht)Subjekt in den Mittelpunkt. Sind die Kinderrechte die Grundlage, können – auch im Konfliktfall – die Erwachsenen ihre jeweilige Sichtweise vortragen und sich dabei über die Sache (nämlich der Suche nach dem "best interest of the child") austauschen. Dies beugt einer häufig generalisierenden Auseinandersetzung auf einer persönlichen Ebene vor, in der darüber gestritten wird, wer der/ die "bessere Pädagog*in" für das Kind sei.

Hierzu müssen alle Beteiligten gleichermaßen selbstverständlich auf das Wissen über Kinderrechte zugreifen können. Daraus ergibt sich die Bedeutung, Eltern über Kinderrechte zu informieren und sie einzuladen, sich in Workshops aktiv mit den Kinderrechten auseinanderzusetzen.

Exkurs zur Rollenklarheit

Menschenrechtspapiere regeln das Verhältnis von Bürger*innen und Staat. Sie sollen die in einem Staat lebenden Menschen vor Übergriffen durch den Staat schützen. Das Bewusstsein der Lehrkräfte dafür, dass (nur) sie als Vertreter*innen des Staates im tatsächlichen Sinne Kinderrechte verletzen können, kann Rollenklarheit im Schulalltag schaffen. Gleichzeitig sind staatliche Institutionen dazu verpflichtet ungleiche (Ausgangs-)Bedingungen auszugleichen und zu gewährleisten, dass alle Menschen gleichermaßen von ihren Rechten Gebrauch machen können.

Dabei können Nationalstaaten in ihren Verfassungen zwischen Menschen- bzw. Grundrechten und Bürgerrechten unterscheiden und bestimmte Rechte exklusiv nur Staatsbürger*innen gewähren. Aktives und passives Wahlrecht für Bundestag und Landtage in der Bundesrepublik Deutschland sind beispielsweise an die deutsche Staatsbürgerschaft geknüpft.

Träger*innen der Kinderrechte sind in Deutschland alle Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren. Unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit können also alle Kinder und Jugendliche von ihren (Mitbestimmungs-)Rechten Gebrauch machen und sich beispielsweise in Jugendforen engagieren oder als Delegierte im Kinder- oder Jugendparlament tätig werden.

Eine Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter Eltern von Grundschulkindern hat ergeben, dass nur 7 Prozent der Befragten durch die Schule ihres Kindes über Kinderrechte und deren Umsetzung im Schulalltag informiert werden. Gleichzeitig äußerten 83 Prozent den Wunsch, mehr über die Umsetzungsmöglichkeiten der Kinderrechte sowohl in der Schule als auch zu Hause zu erfahren. 87 Prozent der Eltern (46 Prozent ja, 41 Prozent vielleicht) könnten sich vorstellen, sich an Beteiligungsprojekten oder Projekttagen für ihre Kinder auch aktiv zu beteiligen, beispielsweise durch ehrenamtliche Begleitung. Die Erhebung erfolgte als Pilotbefragung über Kooperationsschulen des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Umfrage erhebt keinen Anspruch an Repräsentativität, gibt jedoch ein Stimmungsbild wieder: Die Eltern zeigten insgesamt ein großes Interesse daran, mehr über Kinderrechte zu erfahren und Bereitschaft, sich aktiv mit einzubringen.

Impulse, um mit Erziehungsberechtigten über Kinderrechte ins Gespräch kommen

Die folgenden interaktiven Methoden und Zugänge können Lehrkräfte, Fachkräfte und Schulleitungen nutzen, um den Austausch mit Eltern zur Umsetzung von Kinderrechten anzustoßen.

Kinderglücksfrage

„Nenne fünf Dinge, die ein Kind braucht, um gesund und glücklich leben zu können!" Dieser in Anlehnung an die von World Vision 2010 durchgeführte Kinderglücksfrage formulierte Auftrag ist der „schnellste Weg“ zur Verknüpfung mit den Kinderrechten.

Die Teilnehmenden notieren maximal fünf Aspekte, die ihnen einfallen. In einem zweiten Schritt tauschen sie sich hierzu in Zweiergruppen aus und einigen sich auf fünf gemeinsame Aspekte, diese werden im Plenum gesammelt. Die Ergebnisse lassen sich dann gut mit einem Impuls zu den Kinderrechten verknüpfen.

Haben Kinder der Klasse zu dem Thema bereits gearbeitet, können die Ergebnisse (Plakate, Bilder etc.) der Kinder im Elternabend im Anschluss an die Arbeit der Teilnehmenden gezeigt werden.

Kinderrechtewahl

Eine Kinderrechtswahl kann zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den einzelnen Kinderrechten führen. Dazu werden Karten, in denen die zehn wichtigsten Kinderrechte zusammengefasst dargestellt sind, ausgeteilt.

Der Auftrag an die Teilnehmenden ist, ein Recht auszuwählen: Was wünsche ich mir für die Zukunft meines Kindes? Welches Kinderrecht finde ich besonders wichtig?

Die abgegebenen Stimmen können eingesammelt, ausgezählt und das Ergebnis (z. B. am Ende eines Schulfestes) verkündet werden. Dabei ist vor allem der Prozess der Auswahl wichtig, weniger das Ergebnis. Zur Auswahl des Rechts müssen sich die Teilnehmenden mit allen Rechten auseinandersetzen. In einer geschützten Runde eines Klassenelternabends kann die Wahl von den Teilnehmenden auch in einer offenen Runde erläutert werden.

Biografischer Einstieg

In einer vertrauten(!) Runde kann auch ein biografischer Einstieg zum Austausch über Kinderrechtsfragen genutzt werden.

Dabei werden die Teilnehmenden eingeladen, über ihre Verknüpfung mit den Kinderrechten in ihrer eigenen Kindheit und Jugendzeit nachzudenken und sich zu überlegen, welchen Einfluss ihr Erleben auf ihre heutige Interaktion mit den Kindern hat (vgl. Kaletsch/ Gebhard 2021, 74).

Szenische Darstellung

Durch szenische Darstellung lassen sich lebendige und sprachentlastende Zugänge zu den Kinderrechten entwickeln. Dabei empfiehlt es sich drei Szenen zu entwickeln, die anhand von Alltagsbeispielen die drei Säulen der Kinderrechte Schutz, Partizipation und Förderung/Gleichheit verdeutlichen.

Dargestellt wird jeweils eine leichte Verletzung eines Rechts. Z. B.: jemand liest im Tagebuch oder Handy einer anderen Person; eine erwachsene Person bestimmt wer Klassensprecher*in wird; ein Kind, möchte mit einem anderen Kind draußen spielen gehen, das aber das Haus nicht verlassen darf, weil es in die Erledigung von Hausarbeit involviert ist.

Die Frage lautet: Was passiert hier? Um welches Recht könnte es gehen? Was und warum geht es schief und wie könnte es besser laufen? Die Teilnehmenden sind herzlich eingeladen, ihre Ideen zu teilen, gerne auch in dem sie selbst mitspielen. (vgl. Kaletsch/Rech 2015, 168-170).

Schulrundgang

Sind durch Schüler*innen-Projekte bereits Räume und Orte mit Symbolen oder Illustrationen der Kinderrechte, die in diesen Orten eine Rolle spielen, gekennzeichnet, können die Teilnehmenden des Infoabends oder -nachmittags, die Schule besichtigen und mindestens drei Räume mit entsprechenden Symbolen besichtigen oder auch in Form einer Schnitzeljagd suchen gehen.

Sprachpat*innen

In vielen Schulgemeinden sind vielfältige Sprachkompetenzen vorhanden. Diese können sichtbar gemacht und gewürdigt werden. Kommen neue Familien an, können entsprechende Sprachpat*innen gesucht werden.

Gemeinsam mit ihnen kann ein kinderrechtsorientierter Infonachmittag entwickelt werden oder die mit den schulischen Abläufen vertrauten Eltern können den neu Hinzukommenen mit kinderrechtlichem Fokus die Schule zeigen.

Filme oder Ergebnisse von Projektwochen zeigen

In Projektwochen entstandene kurze Filmsequenzen, in denen Schüler*innen die Kinderrechte erklären oder auch als Rätselspiel vorstellen, oder anderweitige entstandene Kunstwerke/Ergebnisse können an Elternabenden oder bei Schulfesten und Tagen der offenen Tür gezeigt werden.

Zum Abschluss: Gemeinsam Handeln für Kinderrechte

Erfahrungsgemäß beteiligen sich Erziehungsberechtigte gerne an Aktionen, in denen auf Kinderrechte oder spezifische Kinderrechtsfragen eingegangen werden. Anlässe finden sich vielfältige. Niedrigschwellig sind Aktionen rund um den Weltkindertag oder den Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention im November.

Etwas umfangreicher und intensiver kann eine Auseinandersetzung mit einer digitalen Schnitzeljagd (z. B. als „Action-Bound“) sein. Eltern bringen sich ein in die Suche nach Orten in der Kommune, die mit den Kinderrechten verknüpft sind. Vielleicht sind sie selbst vor Ort tätig und können auch selbst ein kinderrechtsorientierter Punkt in der virtuellen Karte des Rundgangs im Gemeinwesen werden.

So gelingt kinderrechtebasierte Elternarbeit 
  • Allen Eltern und Erziehungsberechtigten auf Augenhöhe begegnen und die Kinderrechte als gemeinsamen Bezugsrahmen setzen.
  • Alle Eltern über die Kinderrechte informieren, um eine gemeinsame Wissensgrundlage zu haben.
  • Über die verschiedenen Potentiale einer Orientierung an den Kinderrechten ins Gespräch kommen.
  • Niedrigschwellige Informations- und Mitmachaktionen anbieten, an denen sich alle Eltern beteiligen können.

 

[1] In diesem Text werden die Begriffe Eltern und Erziehungsberechtigte abwechselnd und gleichbedeutend verwendet. Gemeint sind hiermit explizit all diejenigen Erwachsenen, die für Kinder ihre „sorgende Gemeinschaft“ darstellen. Wir legen einen erweiterten Begriff von Verwandtschaft zugrunde, der über das Modell der heteronormativen Familien hinaus geht. Das schließt demnach auch u.a. Freundschaften oder gesetzliche Vertreter*innen mit ein (angelehnt an den Arbeitskreis "Gender, Kinship, Sexuality" des IfS - Institut für Sozialforschung Frankfurt).

Quellenverzeichnis

Maywald, Jörg (2012): Kinder haben Rechte! Kinderrechte kennen – umsetzen – wahren, Weinheim: Beltz.

Deutscher Ärzteverlag (Hrsg.) (2022): Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Coronapandemie. Die Schulschließungen waren für die meisten Kinder toxisch, in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 119, Heft 22–23.

Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 24.März 2021,  https://www.bundesverfassungsgericht.de/­SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.htm(Stand: 23.2.23)

Kaletsch, Christa / Gebhard, Jasmine (2021): Kinderrechte in der Kita, Frankfurt/ Main, Wochenschau Verlag.

Kaletsch, Christa / Rech, Stefan (2015): Heterogenität im Klassenzimmer. Methoden, Beispiele und Übungen in der Menschenrechtsbildung, Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik.

Vorgeschlagene Zitierweise

Kaletsch, Christa (2023): Kinderrechtebasierte Elternarbeit. In: Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg): Kinderrechte leben - in Schule und Hort! Online-Dossier. Unter: LINK (Zugriff am: TT.MM.JJJJ).

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