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Ein Lehrer steht an seinem Schreibtisch und holt aus seinem Rucksack ein Buch mit dem Symbol der UN-Kinderrechtskonvention hervor.
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Portrait Lea Fenner
Name
Lea Fenner
Kurztext

Lea Fenner (B.A. Kulturwissenschaften und M.A. Kinderrechte) ist Gründerin von right now Human Rights Consultancy & Training. Seit über 10 Jahren ist sie als freie Beraterin, Fortbildnerin und Autorin in den Bereichen Menschenrechtsbildung und Kinderrechte tätig. Sie entwickelt Konzepte und begleitet Prozesse zu Partizipation und Kinderschutz an der Schnittstelle von Theorie und Praxis in Institutionen.

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Lehr- und Fachkräfte als Schlüsselakteur*innen bei der Umsetzung von Kinderrechten

Die Kinderrechte spielen für Lehr- und Fachkräfte eine besondere Rolle, findet Lea Fenner von right now. In ihrem Beitrag gibt sie einen kurzen Überblick, welche Bedeutung die Kinderrechte für die eigene Rolle und Alltagspraxis als Lehr- und (pädagogische) Fachkraft haben.

Verantwortung übernehmen und Potentiale ausschöpfen

In der auch in Deutschland geltenden UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) werden Kindern verbindlich eigene Rechte zugesichert. Institutionen sind auf dieser Grundlage verpflichtet, die dort geregelten Ansprüche auf Schutz, Förderung und Beteiligung für alle Kinder umzusetzen.

Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte spielen in der Verantwortung Kinderrechte in Schule und Hort zu lernen und zu leben eine besondere Schlüsselrolle. Denn Kinder haben ein Recht auf Kenntnis und Unterstützung bei der Ausübung ihrer Rechte. Ziel ist es, dass junge Menschen ihre Rechte kennen, für sie einstehen und Schule sowie Ganztag sich stets an diesen ausrichten.

Kinderrechte eröffnen Fachkräften in Schule und Hort eine Möglichkeit ihre pädagogische Praxis (noch mehr) an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder zu orientieren. Das zahlt sich aus, denn in Schulen und Horten, in denen die Kinderrechte gelebt werden, fühlen sich junge Menschen eher wohl, ernst genommen, wertgeschätzt und bringen sich aktiv ein. Die Kinderrechte können im Schul- und Hortalltag einen gemeinsamen Handlungsrahmen bieten, bei dem die Interessen der Kinder immer im Mittelpunkt stehen.

Was ist Ihr Beitrag auf dem Weg zur nachhaltigen Verankerung der Kinderrechte in Schule und Ganztag?

Orientierung an rechtlichen Grundlagen und Leitprinzipien (aus der UN-KRK)

Erwachsene Menschen – und damit auch Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte – haben das Recht, die Verantwortung und die Pflicht, Kinder bei der Ausübung ihrer Rechte zu begleiten und zu unterstützen (Art. 5 UN-KRK). Dies kann sich im Schul- und Hortalltag beispielsweise darin widerspiegeln, dass Kinderrechte als Bezugsrahmen bei der Konfliktlösung sowie der Zusammenarbeit mit den Eltern/Sorgeberechtigten herangezogen werden. Um Kinder als Träger*innen eigener Rechte zu bestärken, müssen Kinderrechte regelmäßig und dem Entwicklungsstand der Kinder entsprechend vermittelt werden.

Menschenrechtsbildung als Bildungsauftrag

„Die Menschenrechte einschließlich des Menschenrechts auf Bildung sowie die Verwirklichung der Kinderrechte gehören zum Kernbereich des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule und sind auch in Schulgesetzen verankert. Sie sind Teil einer nachhaltigen und umfassenden Unterrichts- und Schulentwicklung. Dies ist Aufgabe aller Lehrerinnen und Lehrer sowie aller in Schulen tätigen Fachkräfte und ein wichtiger Gegenstand in der Zusammenarbeit von Schule und häuslichem Umfeld. Dazu gehört in besonderem Maße die Ermutigung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler zur Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte und zum Eintreten für die Rechte anderer.“ (Kultusministerkonferenz o.J.)

Zentral in allen Belangen bei der Umsetzung der Kinderrechte ist das Wohl bzw. beste Interesse des Kindes. In Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention ist der Grundsatz formuliert, dieses in der Praxis vorrangig zu berücksichtigen. Darin steckt der Auftrag an Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte einen Aushandlungs- und Abwägungsprozess von Interessen durchzuführen. Denn junge Menschen haben das Recht, als eigenständig handelnde Personen wahrgenommen zu werden: "(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ (SBG VIII § 1 Absatz 1)

Wie unterstützen Sie Kinder auf dieser Grundlage im Entwicklungsprozess?

Selbstbestimmung zu unterstützen, bedeutet Kinder als aktiv handelnde Persönlichkeiten bei der Gestaltung ihrer Umgebung wahrzunehmen. Das Recht auf Mitbestimmung (Art. 12 UN-KRK) muss in der Umsetzung demnach als partizipative Alltagskultur erfahren werden. Dies ist wissenschaftlich vielfach belegt (siehe z.B. Walther et. al. 2021) und wurde politisch auch vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geäußert:

Ziel: Kinderrechtebasierter Alltag

„In der Kindertagesbetreuung [und im Primarbereich] machen Kinder nur dann verlässlich demokratische Grunderfahrungen, wenn es den Pädagogen und Pädagoginnen gelingt, den Alltag kinderrechtsbasiert zu gestalten, also die Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte für alle Kinder zu garantieren.“(16. Kinder- und Jugendbericht 2020)

Staatliche Institutionen – demnach auch Schule und Ganztag – müssen hierfür alle geeigneten Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel treffen (Art. 4 UN-KRK). Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes formuliert vier Grundprinzipien, an denen sich die Umsetzung der einzelnen Rechte orientieren sollte: Gleichberechtigung (auch Diskriminierungsverbot), das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung, Beteiligung/Mitbestimmung und den Kindeswohlvorrang. In einem kinderrechtebasierten Professionsverständnis stellen diese demnach die Leitlinie des pädagogischen Handelns dar.

In der UN-Kinderrechtskonvention sind außerdem Bildungsziele formuliert (Art. 29 UN-KRK). Neben dem Recht des Kindes zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit finden sich hier die Ziele, dem Kind die Achtung von Menschenrechten, Vielfalt und der natürlichen Umwelt zu vermitteln. Junge Menschen haben ein Recht darauf ihre Rechte zu kennen (Art. 42 UN-KRK) und dass ihre Rechte in allen Lebensbereichen gewahrt werden. 

Eine Übersicht, welche weiteren rechtlichen und programmatischen Vorgaben für die Umsetzung sowie die Bekanntmachung der Kinderrechte - auch auf Landesebene - bestehen, finden Sie hier

Gelingensbedingungen für die pädagogische Praxis

Für die Umsetzung von Kinderrechten im pädagogischen Alltag braucht es Kinderrechtebildung für alle an Schule und Ganztag Beteiligten.

Kinderrechtebildung als Fachkraft umzusetzen, erfordert die eigene Weiterbildung zum Thema, regelmäßige Selbst- und Teamreflexionen, eine Orientierung am Kinderrechteansatz und eine gemeinsame kinderrechtebasierte Haltung im Team.

Kinderrechtebildung ist Menschenrechtsbildung. Eine Orientierung am Dreiklang der Menschenrechtsbildung in der Praxis heißt, sich selbst über die Kinderrechte bilden und Kindern ihre Rechte zu vermitteln (Bildung über Kinderrechte), durch die Reflexion des eigenen Handelns und die Schaffung von Strukturen Kinderrechte im Umgang miteinander erfahrbar zu machen (Bildung durch Kinderrechte) und Kinder darin zu bestärken für die Kinderrechte aktiv zu werden (Bildung für Kinderrechte).

Vom Kinderrechteansatz wird gesprochen, wenn alle Konzepte, Entscheidungen und Handlungen in der Bildungseinrichtung an den Rechten von Kindern ausgerichtet sind (vgl. Maywald 2012). Wie Ihnen das gelingen kann, erfahren Sie in diesen Beiträgen:

Für die ganzheitliche Umsetzung und Einhaltung der Förder-, Beteiligungs- und Schutzrechte aller Kinder braucht es vor allem motivierte und engagierte Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte, die dafür gemeinsam die Verantwortung übernehmen.

Tipps für den Start ins Thema:
  • Erklärfilm „Die Kinderrechte“ und Plakat mit ausgewählten Kinderrechten
  • Weitere Praxismaterialien und Datenbanken finden Sie hier
  • Durchführung eines gemeinsamen pädagogischen Tages zu Kinderrechten
  • Fort- und Weiterbildungen für Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte zu verschiedenen Kinderrechtsthemen
  • Externe Prozessberatung (z.B. zu Partizipation oder Kinderschutz) anfragen
  • Schulentwicklungsprozess auf Basis der Kinderrechte: Kinderrechteschule werden

Kinder(perspektiven) ernst nehmen!

„Man muss fragen, wenn man wissen will, was der andere machen will oder vorhat. Man kann ja keine Gedanken lesen!“ (Kind, 7 Jahre)

Eine am Kinderrechteansatz ausgerichtete Pädagogik fragt nicht nur nach Bedürfnissen von Kindern, sondern auch nach ihren Rechten. In der Praxis kann es jedoch eine Herausforderung darstellen, eine kinderrechtebasierte Haltung in der pädagogischen Beziehung einzunehmen. Oft prägen Erfahrungen aus der eigenen Kindheit das mit- und zwischenmenschliche Verhältnis. Diese Erfahrungen und die daraus resultierende Haltung spielen im professionellen Handeln von Lehr- und (pädagogischen) Fachkräften eine besondere Rolle.

Eine systematische Auseinandersetzung von Verantwortungstragenden mit eigenen Erfahrungen und Glaubenssätzen ist demnach zentral für die Auswirkung und Einhaltung von Kinderrechten in pädagogischen Beziehungen. Diese Reflexion fördert auch ein Bewusstsein für das Machtungleichgewicht zwischen Kindern und Erwachsenen.

Adultismus

Adultismus beschreibt dabei die Machtungleichheit zwischen Kindern und Erwachsenen und infolgedessen die Diskriminierung jüngerer Menschen allein aufgrund ihres Alters.
„Wenn Erwachsene davon ausgehen, dass sie intelligenter, reifer, kompetenter als Kinder und Jugendliche sind und daher über junge Menschen ohne deren Einverständnis bestimmen können, dann ist das Adultismus.“ (NCBI 2004)

Eine kinderrechtebasierte Haltung in der Praxis bedeutet: Eine fragende Haltung einzunehmen, Wissen weiterzugeben und Zugang zu Informationen über Rechte zu verschaffen – damit Recht von Unrecht unterschieden werden kann. Sich als Vorbilder zu begreifen und Verhaltensregeln (wie ausreden lassen, einen freundlichen wohlwollenden Blick) zunächst bei sich selbst anzusetzen. Und nicht zuletzt: Die Anerkennung und Wertschätzung der Vielfalt von Identitäten (Art 2. UN-KRK). Mehr zu einer gemeinsamen kinderrechtlichen Haltung finden Sie hier: Bildung durch Kinderrechte.

Was hätten Sie sich als Kind von Erwachsenen gewünscht?

Eine wichtige Aufgabe der Lehr- und (pädagogischen) Fachkräfte ist es, Kinder in Ihrer Rolle als Träger*innen eigener Rechte zu bestärken und diese zu respektieren. Dazu gehört auch, Möglichkeiten und Räume für Partizipation von Kindern zu schaffen.

„Ich würde gerne die Regeln [im Hort] mitbestimmen.“ Auf die Frage, warum das nicht gemacht werde: „Die Erwachsenen glauben, das Kinder dann alles machen wollen und haben Angst, dass etwas passiert.“ (Kind, 9 Jahre)

Das Recht auf Gehör bietet jungen Menschen erst die Gelegenheit eigene Meinungen und Interessen zu äußern. Doch wie viel Gewicht erhalten die Interessen der Kinder?

„Gute Beteiligung ist keine Frage der Methode sondern der Haltung.“(Jörg Sommer, Berlin Institut für Partizipation)

In der Praxis stellt die Definitions- und Deutungsmacht erwachsener Menschen, diese Meinungen zu interpretieren und entsprechend zu beachten oft eine Herausforderung dar. Neben unzulänglichen Rahmenbedingungen und Strukturen fehlt oft das Vertrauen/Zutrauen in junge Menschen als selbstständig handelnde Akteur*innen mit eigenen Rechten und Ansprüchen auf Mitsprache und Mitbestimmung. Als Grund dafür, die Interessen der Kinder nicht zu berücksichtigen, werden dann das junge Alter oder die „geringe Reife“ vorgeschoben (siehe Adultismus).

Wo können Sie im Schul- und Hortalltag Macht abgeben und (mehr) Verantwortung teilen?

Tipps zur Reflexion:

Gestaltung von Schule und Ganztag im besten Interesse aller Kinder

Ausgangspunkt ist hier die gemeinsame Motivation von Lehr- und (pädagogischen) Fachkräften für ihren Beruf: für und mit Kindern zu arbeiten und einen Ort zu schaffen, an den Kinder gerne kommen. Ziel der Arbeit ist es daher, Schule und Ganztag im besten Interesse der Kinder zu gestalten. Dies bedeutet, einen Lern- und Lebensort zu gestalten, an dem die Bedürfnisse und Fähigkeiten aller jungen Menschen berücksichtigt werden. Dies erfordert auch die Auseinandersetzung mit Ungleichheiten und Diskriminierungen und der Frage danach, wer sich in Prozessen wie beteiligen kann.

Das heißt Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte schaffen ein Umfeld, in dem ein gesundes Aufwachsen, Bildungsgerechtigkeit, Partizipation, Kinderschutz und inklusive Bildung gefördert und Kinder befähigt werden, ihre Rechte wahrzunehmen! Kinderrechte sind damit das Fundament für eine qualitativ hochwertige Bildung und Erziehung.

Die Aufgaben der Lehr- und (pädagogischen) Fachkräfte in ihrer Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Kinderrechte sind: Beschwerden wahrnehmen, Vielfalt anerkennen und wertschätzen und Mitbestimmung ermöglichen.

Dazu gehört möglicherweise auch langjährige Routinen und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und an die Bedürfnisse, Rechte und Ideen der jungen Menschen anzupassen. Wenn sich Lehr- und (pädagogische) Fachkräfte jedoch die Perspektiven der Kinder (noch) bewusster machen und diese ernst nehmen, bietet das eine wunderbare Möglichkeit die Qualität der eigenen Arbeit zu verbessern.

Rahmenbedingungen stellen zwar oft eine große Herausforderung dar, aber es besteht immer Handlungsspielraum in der eigenen Einrichtung. Veränderungsprozesse brauchen Zeit und für die ganzheitliche Umsetzung der Kinderrechte braucht es die Unterstützung der ganzen Schulgemeinschaft und ein engagiertes Team. Das Engagement lohnt sich, denn an Schulen und in Ganztagseinrichtungen, in denen die Kinderrechte als gemeinsame Basis respektiert, geschützt und gefördert werden, fühlen sich junge Menschen frei, sicher und wertgeschätzt. Das Teilen von Macht kann auch eine Entlastung bedeuten. Darüber hinaus werden vertrauensvolle kollegiale und pädagogische Beziehungen gestärkt.

Machen Sie sich gemeinsam auf den Weg!

Quellenverzeichnis

Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2020): 16. Kinder- und Jugendbericht. Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter. BT Drucksache 19/24200, S. 175 und vgl. S.235. Unter: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/162232/27ac76c3f5ca10b0e914700ee54060b2 /16-kinder-und-jugendbericht-bundestagsdrucksache-data.pdf (Zugriff: 13.12.2023)

Kultusministerkonferenz (o.J.): Menschenrechtsbildung in der Schule. Unter: https://www.kmk.org/themen/allgemeinbildende-schulen/weitere-unterrichtsinhalte-und-themen/menschenrechtsbildung.html (Zugriff: 13.12.2023)

Maywald, Jörg (2012): Kinder haben Rechte! Kinderrechte kennen – umsetzen – wahren. Beltz.

NCBI Schweiz & Kinderlobby Schweiz (2004): Not 2 young 2 – Alt genug um. Rassismus und Adultismus überwinden. Schaffhausen: K2-Verlag

Walther, Bastian/ Nentwig-Gesemann, Iris/ Fried, Florian (2021): Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter: Eine Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und -dimensionen. Verlag BertelsmannStiftung.

 

Zitiervorschlag

Fenner, Lea (2023): Bedeutung von Kinderrechten für Fachkräfte. Lehr- und Fachkräfte als Schlüsselakteur*innen bei der Umsetzung von Kinderrechten. In: Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg): Kinderrechte leben - in Schule und Hort! Online-Dossier. Unter: LINK (Zugriff am: TT.MM.JJJJ).

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