Brys­tal Aca­de­my ★1★

1: Ein mysteriöser Brief

Der Brief in meinem kleinen Zimmer

Der eiskalte Regen, dessen Tropfen die Scheibe herunterliefen, versperrten die Sicht auf die belebte Straße. In ein paar Tagen begann die Schule wieder und jeder versuchte ein letztes Paar Federkiele mit Tinte zu ergattern. Mich betraf dieser Trubel nicht, meine Eltern waren zu arm um die Schulkosten zu bezahlen, geschweige denn die überteuerten Schulsachen. Ich wandte den Blick ab, um eine kleine Spinne von meinem Bett zu verscheuchen. Mehr außer einem Bett stand in meinem Zimmer, besser gesagt einer Kammer, nicht. Der wenige Kram, den ich besaß, konnte man mühelos unter das Bett schieben. Gemütlich war es nicht, aber es ließ sich aushalten. Als ich mich wieder dem winzigen Fenster zuwandte, traute ich meinen Augen nicht. Dort wo zuvor nur eine abgebrannte Kerze gestanden hatte, lag jetzt ein Brief. Im Augenwinkel sah ich eine weiße Gestalt wegfliegen. Mit zittrigen Fingern nahm ich den Brief vom Fenster.

Einladung in die Brystal Academy

Der Umschlag bestand aus teurem Pergament, solchem das ich sonst nur in Läden sah und in denen ausschließlich der Adel einkaufte. Das weinrote Wachssiegel zeigte ein B um das sich Rosen rankten. Der Brief war adressiert an "Rose Valeriné, Bronzegasse 12, Dornbusch". Lesen konnte ich nur, da meine Mutter es mir beigebracht hatte. Vorsichtig öffnete ich den Umschlag ohne das Wachssiegel zu zerbrechen. Das Pergament des Briefes war schneeweiß und der Rang war mit den selben Rosenranken wie vorhin verziert. Ich las den Brief langsam vor: "Sehr geehrte Rose Valeriné, Sie sind herzlich eingeladen zu Beginn des normalen Schuljahres die Brystal Academy zu besuchen. Da Sie die Schulkosten höchstwahrscheinlich nicht bezahlen können, erhalten Sie ein Stipendium. Am 9. September werden Sie von der Schulkutsche in Dornbusch abgeholt. Schulbücher und Uniform müssen nicht gekauft werden. Alles weitere erfahren Sie vor Ort. Mit freundlichen Grüßen, Rosé Brystal, Schulleiterin." - Brystal Academy. Ein schöner Name für eine Schule. Aber was würden meine Eltern dazu sagen?

Abendessen mit der Familie und Vorfreude

Beim kargen Abendessen, das nur aus kalter Suppe bestand, erzählte ich schüchtern: "Mutter, Vater, heute habe ich einen Brief bekommen. Ich wurde eingeladen eine Schule namens Brystal Academy zu besuchen." Einen Moment sagte niemand etwas, bis meine Mutter antwortete: "Du weißt doch, wir können uns keine Schulkosten leisten, vor allem von keiner Privatschule." "In dem Brief stand auch, dass ich ein Stipendium bekomme.", versuchte ich zu erklären. Mein Vater brummte nur: "Rose sollte doch schon immer was gescheites Lernen. Mehr als alles, was sie weiß, können wir ihr nicht beibringen und wenn sie eine Chance bekommt, soll sie diese nutzen. Sie wird gehen." Ich konnte mein Glück kaum fassen. Heute morgen noch dachte ich, ich könne niemals etwas erreichen und jetzt hatte ich Hoffnung auf ein besseres Leben, als den Passanten irgendwelche Steine verkaufen zu wollen. Die restlichen Tage verbrachte ich damit den Brief immer und immer wieder durchzulesen, da ich es immer noch nicht fassen konnte. Am Abend vor der Abfahrt war ich so aufgeregt wie nie zuvor.