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Das Haus der Spra­che

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Das Haus der Sprache

In jenem Dorf gab es viele hübsche und einladene Häuser. Die Efeu Hecken waren sauber gestutzt und standen nicht über. Alle Leute kannten sich. Mit Ausnahme von einem. Der Name des Mannes war Professor Doktor Ernesto Kroll. Professor Doktor Kroll war ein alter Mann mit einem langen, grauem Bart, woran allerlei Perlen hingen. Um die Augen lagen große schwarze Ringe. Doch wurde er von allen, die über ihn sprachen, nur Doktor Kroll genannt, in Anlehnung an Doktor Frankenstein.

Keiner mochte ihn besonders, was wohl auch auf sein Lebensstil zurückzuführen ist, denn er lebte in einer großen Villa, etwas abseits der anderen, auf einem Hügel. Das Haus war alt und roch nach Moder und Moos. Zu der großen und massiven Holztür aus Kornelkirsche kam man nur über eine Treppe. Über dem Eingang lag ein kleiner Balkon, der aus einem seltsamen, hellen Stein war, der wie auch der Rest des Hauses zu sein schien. Ein Anbau lag an der Westseite des Hauses, an dem wiederum ein kleiner Schuppen gebaut wurde. An dem Haus gab es viele Fenster, sowohl hohe als auch niedrige. Hoch oben stand in dicker, roter Schrift geschrieben: HAUS DER SPRACHE.

Niemand wusste was es damit auf sich hatte und würde es wohl auch nicht wissen wollen. Es war einfach zu riesig und zu detailreich, als dass man es auch nur annähernd beschreiben könnte. Eines Tages jedoch kam ein junges Mädchen in die Stadt. Sie hieß Lisa von Strauß. Lisa war neu und kannte weder den Mann, noch das Haus. Doch das würde sich bald ändern. Denn, als sie durch die schönen Gassen schlenderte, hörte sie Stimmen und Schreie aus dem Haus. Dunkle Wolken zogen auf und sie fröstelte. Nach einiger Zeit wurde Lisa kalt und neugierig und ging leise und in gebückter Haltung auf das Grundstück zu. Eine geheimnisvolle Stimmung lag in der Luft und Lisa fürchtete sich. Dr. Kroll, stand an dem Schild über der Türklingel. Die Tür war offen. Lisa huschte lautlos hinein. Eigentlich war sie ein Mensch, der keinerlei Zwietracht und Bosheit in sich trug, doch irgendeine Macht zog sie an. Im dunklen Hausflur angelangt, kroch ein seltsames Gefühl in ihr hoch. Als ob irgendjemand sie beobachtete. Und plötzlich sah sie etwas, was sich aus dem Schatten abzeichnete. Und dann plötzlich: Flammen. Sie schrak zurück und taumelte. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.

Als Lisa in einem großem blass grünem Ohrensessel mit zerkratztem Polster erwachte, musste sie sich erst an das dämmrige Licht der untergehenden Sonne gewöhnen. Die dunklen Wolken hatten sich verzogen und der Himmel war klar mit einem rosarotem Anhauch. Lisa hörte hinter ihr Schritte und erinnerte sich wieder an alles, was vorgefallen war. Hinter ihr stand Professor Doktor Ernesto Kroll. Doch lachte er und sah eigentlich ganz freundlich und nett aus. Doktor Kroll hielt ein Buch in seiner Hand. „Wer sind sie?“,stammelte Lisa. „Kannst du dir das nicht denken? Denk an das Klingelschild“, antwortete er. „Ich bin Ernesto Kroll!“ „Mit wem haben sie gesprochen?“ „Ach, das hast du gehört?“ „Ja“, sagte sie. „Deswegen bin ich hergekommen.“ „Willkommen im Haus der Sprache! Ich bin allen Sprachen gelehrt und besitze die Macht der Sprache. Alles was du hier siehst, ist aus Sprache.“ „Wie ist das möglich?“, fragte Lisa. „Alles was in diesem Haus ist und das Haus selbst, wurde von mir erdacht und ausgesprochen. Im Grunde eine Art Magie. Doch rein sprachlichen Ursprungs. Selbst die Pflanzen vor der Treppe zur Eingangstür sind daraus.“ Ein langes Schweigen trat ein.

Schließlich fragte Ernesto, ob sie mit ihm ein Kakao trinken wolle. Sie sagte ja, doch noch immer sehr verwirrt und uneins mit sich. Danach wurde es langsam dunkel und Sterne standen am Himmel. „Jeder Stern dort oben steht für ein Wort,“sagte Ernesto.

Allmählich schlief Lisa in ihrem Ohrensessel ein und träumte von Buchstaben, Wörtern, Sätzen und Kapiteln einer gigantischen Geschichte. Und sie verstand, dass alle Geschichten der Wirklichkeit bis heute andauern und selbst sie in allen realen Geschichten mitspielt. Jeder spielt dort mit. Und mit vielen neuen Gedanken wachte Lisa auf. Sie wollte in aller Stille gehen und nur einen Zettel hinterlassen. Doch als sie gerade aufstand, kam Ernesto schon auf sie zu. „Wo willst du hin?“, fragte er. „Ich gehe nach Hause!“, antwortete sie. „Hier, nimm das als Dankeschön!“, und gab ihr das Buch, das er gestern in den Händen hatte. Sie nahm es und drehte sich zum Flur. „Danke“, sagte sie zu Ernesto. Und jetzt sah Lisa auch, was sie gestern so erschreckt hatte: Es war der Kamin, der am Ende des Flurs stand.  Dann ging sie, ohne nur ein Wort zu sagen, und in Gedanken. Und immer wenn sie die Leute über ihn sprechen hörte, sagte sie sich, dass sie allein in diesem Punkt schlauer war als alle anderen. Und Professor Doktor Ernesto Kroll sah keiner je wieder.

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Eure Kommentare

Ich bin schon dabei.

Sehr coole Geschichte! Allerdings ist das Ende nicht so gut. Wir wollen wissen, wie's weitergegangen wäre!

Ups nicht :? sondern:!

Wow,wie spannend?