Eure Geschichten

Fröh­li­ches Uwa­weih!

Unter-Wasser-Weihnachten

“Hey Quin, wach auf. Weißt du denn nicht, was heute für ein Tag ist? Kein Tag zum verschlaaafen!” Ich rieb mir die Sandkörner aus den Augen und pellte mich aus meiner Alge. Außer mir war niemand mehr Zuhause. Die ersten Sonnenstrahlen schienen auch schon durch meinen Muschelvorhang – es wird Zeit, mal rauszukommen, dachte ich und legte mir meine Lieblingssteinkette um den Hals.  

Akira wartete schon an der großen pinken Koralle auf mich. “Schau doch mal, sie sind gerade dabei alles vorzubereiten. Für heute Abend, du weißt doch! Auf der Spitze der Koralle sitzt sogar schon die leuchtende Venusmuschel.” Ich blickte nach oben, nach links und rechts. Überall wurde gebastelt, geschmückt und gesungen. Im Wasser lag ein goldener Schimmer: Es rückte näher - das diesjährige Uwaweih stand vor der Tür.  

Es wird geschmückt

“Komm, lass uns eine kleine Spritztour durchs Riff drehen. Ich will dir alles zeigen. Bin schon vor Sonnenaufgang wach geworden und hui, ich bin so aufgeregt!” Akira liebte dieses Fest, ganz im Gegensatz zu mir. Da sie meine beste Freundin war, musste ich mich ihr zuliebe auch wenigstens ein bisschen an Uwaweih beteiligen. Ich konnte mich aber einfach nicht dazu durchringen, ihr zu sagen, dass ich eigentlich gar nichts für das Fest übrig hatte. 

Ich ließ mich von ihr also ins Zentrum unseres kleinen Korallenriffs schleppen. Dort steht unsere größte Koralle, die immer um diese Zeit des Jahres feierlich geschmückt wird. Akira stieß einen freudigen Laut aus. “Schau mal, Quin, wir kommen gerade noch rechtzeitig, um beim Schmücken zu helfen!” Ich erwiderte ihr Lächeln etwas gezwungen, als mir auch schon das Ende einer Girlande zugeworfen wurde.  

Mit ein paar anderen Fischen schwamm ich um die Koralle herum, um die Girlande mehr oder weniger kunstvoll zu drapieren. Es war eine von diesen Girlanden, an denen ganz viele kleine Scherben aus Glas und anderen menschengemachten Materialen befestigt sind. Sie reflektieren das Sonnenlicht in vielen bunten Farben. Viele von uns haben solche Girlanden auch an den Eingängen unserer Anemonen zu hängen. Eigentlich ist es ja ganz hübsch... 

Ist das nicht die schönste Zeit des Jahres?

Als ich weiterschwimmen wollte, gab es plötzlich einen Ruck und ich wurde angehalten. Anscheinend hatte ich die Girlande zu lange gedankenverloren angestarrt und meine Flosse hatte sich im Trubel der Dekorationsarbeit in einer der anderen Girlanden verheddert. Na toll, jetzt kam ich nicht mehr von der Stelle. Die anderen Fische lachten und ich spürte, wie ich errötete. Akira, die gerade damit beschäftigt gewesen war, Muscheln an Bändern aufzuhängen, kam auf mich zu geschwommen. “Lasst doch Quin in Ruhe!”, rief sie, wobei sie jedoch auch lachen musste.  

Mit Akiras Hilfe konnte ich mich befreien, aber ein unangenehmes Gefühl blieb zurück. Genau das war es, was ich am Uwaweih nicht mochte. Ich kam mit vielen der anderen Fische gut zurecht, aber eigentlich war ich lieber allein oder mit Akira zusammen, wo ich meinen eigenen Gedanken nachgehen konnte. So fühlte ich mich manchmal einfach wohler. Doch genau das war in all dem festlichen Trubel des Uwaweih nicht möglich.  

Leer gefegte Felder

Ein aufgeregter kleiner Fisch kam in hektischen Zick-Zack-Linien auf uns zu geschwommen. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er war völlig aus der Puste aber wollte uns unbedingt etwas mitteilen. “Die...”, stammelte er, “die schimmer-grünen Weihnachts-Algen...” Akira wurde ungeduldig: “Ja, die Weihnachts-Algen, die wir alle lieben. Ich freue mich schon das ganze Jahr lang auf diese Festspeise. Was ist mit den Weihnachts-Algen?” Der kleine Fisch antwortete nur: “Weg. Alle weg.” Die Fische um uns herum waren plötzlich ganz leise und ließen die Girlande fallen. Alle waren geschockt. Ein Uwaweih ohne Weihnachts-Algen? Das konnte sich niemand vorstellen. Sogar Akira fehlten die Worte. 

Ich beschloss, dass ich mir das Unglück mit eigenen Augen ansehen musste, um sicherzugehen, dass es stimmt. Ich schnappte mir Akira und schwamm mit ihr eilig zum Weihnachts-Algen-Feld. Der Anblick war traurig. Alle Pflanzen waren zerfetzt oder komplett aus dem Meeresgrund gezogen und verschwunden. Was war hier passiert? Monatelang hatten wir diese ganz besonderen Algen gezüchtet und gepflegt. Ich konnte nicht glauben, dass sie jetzt am Tag von Uwaweih verschwunden waren.  

“Irgendwer muss die Plane nicht richtig befestigt haben”, überlegte ich laut. “Die Flut heute Nacht war echt heftig, hat bestimmt alles mit sich gerissen. Aber das ist doch ein totaler Anfängerfehler! Wie kann so etwas passieren?” “Ist doch egal was passiert ist,” fuhr Akira mich an. “Wie sollen wir jetzt bitte Uwaweih feiern? Am besten sagen wir es direkt ab!” Mit Tränen in den Augen und einem wütenden Flossenschlag schwamm sie zurück in ihre Anemone. Verzweifelt blickte ich ihr hinterher. Klar, besonders toll fand ich das Fest nicht, aber es ganz ausfallen zu lassen? Das ging selbst mir zu weit. Entschlossen wandte ich mich zu Eddy. Er war für das Anpflanzen der Weihnachts-Algen verantwortlich und dafür im ganzen Riff berühmt. Während meinem Gespräch mit Akira war er knallrot geworden und Schweißtropfen liefen ihm über die Stirn.  

Rettet Uwaweih!

“Eddy...? Du hast doch nicht...?” “Es tut mir so leid!”, jammerte Eddy direkt los. “Ich wollte das nicht, aber sie hat mich dazu gezwungen, Quin! Ich hatte keine andere Wahl.” “Wer...?”, begann ich, aber wusste sofort von wem er sprach. Cordula. Einst war sie Bürgermeisterin unseres Riffs gewesen, doch schon bald begann sie alles verändern zu wollen. Sie wollte unsere Traditionen abschaffen und uns neue Werte und Glaubenssätze aufzwingen. Besonders die Feierlichkeiten rund um das Uwaweih-Fest waren ihr immer ein Dorn im Auge gewesen. Es erinnerte sie zu sehr an ein ähnliches Fest, oben, in der Menschenwelt. Und Cordula hasste Menschen! So sehr, dass sie uns alle dazu zwingen wollte, das ebenfalls zu tun. Irgendwann hatten wir jedoch die Nase voll von ihrer Tyrannei und verbannten sie aus unserem Riff. Seitdem fand sie immer wieder Wege, um uns das Leben schwer zu machen. Aber die Weihnachts-Algen zu zerstören? Das ging echt zu weit.  

“Hör zu Eddy, ich mache dir keinen Vorwurf. Wir alle wissen wie furchterregend sie sein kann. Mach es wieder gut, indem du mir jetzt hilfst das Fest heute Abend zu retten!” Eddy seufzte vor Erleichterung und nickte zustimmend. Gemeinsam machten wir uns an die Arbeit...

Am Abend 

“Akira, komm raus! Weißt du denn nicht was für ein Tag heute ist? Keine Zeit, um schmollend in deiner Anemone zu hocken!” Akira steckte den Kopf durch die Tür und sah mich mürrisch an. “Mach dich nicht über mich lustig. Wie sollten wir heute Abend ohne Weihnachts-Algen feiern?” “Das findest du wohl nur raus, wenn du mitkommst”, trällerte ich und schwamm lachend in Richtung Zentrum.   

“Quin warte! Du...”, weiter kam Akira nicht, denn ihr stockte beim Anblick des Festplatzes der Atem. Gemeinsam mit Eddy hatte ich alle Riffbewohner animiert, Uwaweih zu retten. Jeder hatte mitgeholfen, den Platz fertig zu dekorieren. Es sah wirklich umwerfend aus. 

“Sieht echt toll aus” gab Akira traurig zu. “Aber ohne Weihnachts-Algen ist es einfach nicht Uwaweih.” “Hör mal zu”, sagte ich und legte ihr meine Flosse auf die Schulter. “Aus mir machst du keine Festtagsliebhaberin mehr. Aber dass du dir dein geliebtes Uwaweih verderben lässt, kommt nicht in die Tüte. Manchmal läuft es eben nicht so wie geplant. Klar dann kannst du dich verkriechen und Trübsal blasen oder du machst halt das Beste draus! Flipper hat uns als Festspeise sein besonderes Seegras überlassen. Ist halt mal was anderes, aber bestimmt genauso gut, wenn wir uns nur darauf einlassen! Also komm! Wollen wir nun feiern oder nicht?”  

Akira sah mich mit großen Augen an. “Danke”, sagte sie und umarmte mich stürmisch. Dann wurde ihr Blick jedoch ernst. “Nächstes Jahr gibt’s aber wieder Weihnachts-Algen. Und wenn ich mich persönlich darum kümmern muss!” Lachend schlossen wir uns den Feierlichkeiten an. Vielleicht, aber nur vielleicht, ist Uwaweih ja doch gar nicht sooo schrecklich wie ich immer dachte. 

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Eure Kommentare

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Coole Idee mit dem Weihnachten unter Wasser

Wie cool! Eine Geschichte der Redaktion!

👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍👍

Die Geschichte ist super cool! Ich wette Cordula ist so eine Art Bürgermeisterin wie Trump es war (der ist zum Glück nicht mehr Präsident).

Tolle Geschichte 😃😃