Kris­tall­nacht - Eis und Schat­ten/ Teil 1

Mittlerweile musste es aufgehört haben zu schneien. Wenigsten stürmte es nicht mehr, so viel war sicher. Trotzdem war es noch eiskalt. Sie konnte sich glücklich schätzen nicht erfroren zu sein. Ein Feuer zu entfachen war nicht möglich gewesen, nur die magische Wärme von Feyre hatte sie wahrscheinlich am Leben gehalten. Der Schattenwolf schlief ungerührt der Eiseskälte. 

Die Wölfin hatte es aber auch gut. Wenn man nur aus Schatten und Rauch bestand, konnte man nicht frieren- aber trotzdem strahlte sie Hitze ab- ein Überbleibsel ihrer Vorfahren, den Feuerwölfen. Diese Kreaturen waren jedoch schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Erscheinung getreten. Sogar die Schattenwölfe galten als schon als Rarität. Tilly war etwas Besonderes, dass sie einen Jagdgefährten dieser Spezies besaß. Aber ihre Aufgabe war auch etwas Besonderes. 

Auf einmal wurde ihr bewusst, wie spät es schon sein musste und sie strampelte rasch ihre Decken fort. Sie sollte sich schleunigst auf den Weg machen. Die Herrin würde sowieso schon verärgert sein. Schließlich hatte sie ihr nichts vorzubringen. Und nach dem Schneesturm waren auch alle Spuren verwischt. Mist Mist Mist, verfluchte sie sich. Das war schon das zweite Mal innerhalb von drei Wochen, dass sie ihre Beute verloren hatte. Wenn dies so weiter ging, dann- nein so durfte sie nicht denken. Sie würde nicht wieder auf der Straße landen, nie wieder. Dafür hatte sie sich schon zu oft bewiesen. Entschlossen rappelte Tilly sich endgültig auf. Sie würde es schon irgendwie erklären können. Jedem konnte schließlich einmal ein Fehler passieren. 'Fehler passieren nur Schwächlingen, Tilly.' Die Stimme ihrer Mutter stahl sich in ihre Gedanken. Tilly biss die Zähne zusammen. Ihre Mutter war tot. Sie war der Schwächling gewesen, nicht Tilly. 

Mit diesem Gedanken verstaute das Mädchen ihre Felle in ihrem Beutel, schnürte ihn zu und schwang sich ihren Bogen über die Schulter.

Sie war kein Schwächling.