Eure Geschichten

Mein ab­so­lut (un)nor­ma­les Le­ben - 12. Ka­pi­tel

Alfred ist gegangen

Am nächsten Morgen wurde ich von der sanften Stimme meiner Mutter geweckt: „Guten Morgen, meine Süße! Aufstehen, das Frühstück ist fertig!“ „Mhm, komm ja gleich.“, murrte ich schlaftrunken. Dann schälte ich mich aus dem Bett, wusch mir das Gesicht und tippelte die Treppe hinunter. Am Frühstücks-Tisch würgte ich ein halbes Marmelade-Brötchen herunter. Ich hatte gar keinen Hunger. Da kam mir Alfred schon wieder in den Sinn. „Ist Alfred weg?“, fragte ich. Gestern, als ich ins Bett gegangen war, hatte er immer noch im Wohnzimmer gesessen. „Aber nein, meine Maus. Er ist gestern gegangen. Kurz nachdem du dich ins Bett gelegt hast.“, erklärte Mama mir. „Aha.“, erwiderte ich nur. „Sag mal, was für einen Zaubertrank hast du dem eigentlich gegeben? Als er gegangen ist, hat er sich ganz nett für den „Service meiner Tochter“ bedankt.“ „Ach so das“, sagte ich gelangweilt. „Ich habe ihm nur etwas zu Trinken angeboten.“ Damit gab sich Mama dann zufrieden, denn sie lehnte sich zurück und studierte ihre Zeitung.

Fertigmachen für die Schule

Ich stand auf, räumte mein Geschirr in die Spülmaschine und stapfte die Treppe wieder hinauf. Dann putzte ich meine Zähne bis sie strahlten und zog mir eine graue Jeans mit einer petrol-farbenen Bluse an. Dann packte ich noch meine Brotzeit ein, schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg zur Schule. Normalerweise wartete Pauline immer an der Straßenecke auf mich, doch als ich heute dort ankam, stand dort niemand. Also wartete ich ein paar Minuten. Nach ungefähr zwölf Minuten schaute ich mich um, doch ich konnte Pauline nirgends erkennen. Sie war mir also anscheinend immer noch nachtragend. Das ganze restliche Wochenende hatte ich keinen einzigen Mucks mehr von ihr gehört. Also spazierte ich alleine zur Schule.

Pauline ignoriert mich

Als ich die Tür zum Klassenzimmer aufschob, sprang mir gleich Edgar in den Weg. Er hielt mir ein orange-grünes Blatt unter die Nase und fragte erwartungsvoll: „Was ist das?“ „Ähh, ein Blatt?“, antwortete ich abweisend. „Ja, aber wie sieht es aus?“, fragte er wieder. „Wie ein Blatt?“, fragte ich zurück. „Nein! Siehst du das nicht? Es ist grün und orange! GRÜN UND ORANGE!“, rief er laut aus. „Ähhh, ja, Blätter verfärben sich halt.“, antwortete ich und wollte mir den Weg zu meinem Platz freiräumen. Aber Edgar hielt mich wieder auf. „Aber doch nicht jetzt im Sommer! Sinja, Blätter verfärben sich im HERBST! Wir haben SOMMER!“, erklärte er, als wäre hätte er gerade ein neues Weltwunder entdeckt. Ich stöhnte einmal, dann drängelte ich mich an ihm vorbei und zu meinem Platz. Ich stellte meine Tasche ab und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Erst dann fiel mir der leere Platz neben mir auf. Normalerweise saß dort Pauline. Aber heute saß dort niemand. Ich schaute mich um. Dann entdeckte ich sie. Sie saß vorne in der ersten Reihe neben Streber-Nikole. Das durfte doch nicht wahr sein! Pauline konnte wirklich sehr ätzend und sehr nachtragend sein. Ich schüttelte nur den Kopf und packte mein Federmäppchen aus.

Zu viele Gedanken im Kopf, sodass der Unterricht nebensächlich wird

Dann kam Frau Glück, unsere Biologie-Lehrerin ins Zimmer. Ich fand sie total nett! Und wenn man sie als Lehrerin hatte, dann hatte man – wie der Name schon sagte – wirklich Glück. Sie strahlte in die Klasse und verkündete: „Liebe Klasse 6h! Heute müssen wir leider einen Test schreiben. Bitte setzt euch auf die Plätze und packt die Hefte weg!“ Frau Glück tat es immer sehr leid, wenn sie mit uns einen Test schreiben musste, denn sie sagte immer, dass sie sich noch an ihre eigene Schulzeit erinnern würde und wie sehr sie damals Tests gehasst hätte. Dann ging Frau Glück durch das ganze Klassenzimmer und verteilte die Aufgaben-Blätter: „Bitte vergesst nicht, euren Namen oben links hinzuschreiben. Und wenn ihr Fragen habt, dann meldet ihr euch!“ Als sie bei mir ankam fragte sie verwundert: „Sinja, du sitzt ja heute allein. Ist Pauline krank?“ Ich schüttelte nur den Kopf und deutete mit dem Kinn nach vorne in Richtung Pauline. Frau Glück schaute einmal zu Pauline und ging dann weiter und verteilte weiter die Blätter. Dann ging es los. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Eine einzige Aufgabe konnte ich richtig beantworten, alle anderen ließ ich einfach leer oder schrieb irgendetwas hin. Dann war die Zeit auch schon um und Frau Glück sammelte die Test-Blätter wieder ein. Die restliche Biologie-Stunde verging im Schneckentempo.

Ich muss ins Lehrerzimmer!

Als wir endlich Pause hatten, blieb ich auf meinem Platz sitzen und starrte zum Fenster hinaus. Was sollte ich hier eigentlich noch? Pauline ignorierte mich, Alfred war komisch drauf. Was hatte das alles für einen Sinn? In Mathe konnte ich mich auch nicht recht auf den Unterricht konzentrieren. Doch kurz vor Stundenende, hörten wir plötzlich eine Durchsage: „Bitte Aufgepasst, ich habe folgende Durchsage für euch zu verkünden: Sinja Wunder aus der Klasse 6h kommt bitte in der zweiten Pause ins Lehrerzimmer. Ich wiederhole: Sinja Wunder aus der Klasse 6h wird gebeten, sich in der zweiten Pause ins Lehrerzimmer zu begeben. Ende der Durchsage.“ Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich saß nur da, als hätte ich einen Stock verschluckt. Doch zum Glück führte unser Mathematik-Lehrer den Unterricht gleich fort. Als wir endlich wieder Pause hatten, stapfte ich lustlos zum Lehrerzimmer. Jetzt würde ich auch noch in der Schule Probleme bekommen!

Frau Glück macht sich Sorgen

Ich klopfte an der Tür und eine ältere Frau öffnete mir. Ich kannte sie nur vom Sehen, ich hatte sie nicht als Lehrkraft. „Ich bin Sinja. Ich wurde ins Lehrerzimmer gerufen?“, fragte ich die Frau. „Ahja, Sinja. Komm mal kurz mit.“, sagte sie und nahm mich an die Hand. Sie führte mich um mehrere Tische in einen Nebenraum, in dem Frau Glück an einem Laptop saß. „Ah, Hallo Sinja! Schön, dass du gekommen bist!“, begrüßte mich Frau Glück. „Hallo.“, antwortete ich nur. Die andere Frau entfernte sich wieder und Frau Glück schloss die Tür. „Weißt du, Sinja, ich mache mir Sorgen um dich! Ich habe vorhin kurz die Arbeiten überflogen und gesehen, dass du den Großteil der Aufgaben nicht beantwortet hast! Du bist doch sonst immer eine der Besten! Außerdem dachte ich, dass euch, also Pauline und dich, nichts trennen kann. Ist das nicht so? Warum sitzt Pauline nicht mehr bei dir?“, fragte sie. „Hrmpf, keine Ahnung.“, sagte ich. Frau Glück war nur eine Lehrerin, zwar eine sehr nette, aber trotzdem ging sie mein Privatleben nichts an! „Falls es doch etwas gibt, worüber du mit mir reden willst: Komm einfach zu mir ins Lehrerzimmer, ich bin immer für dich da.“, sagte sie noch mit besorgter Miene. „Okay, vielen Dank.“, bedankte ich mich, dann schlich ich hinaus und machte mich alleine auf den Heimweg.

Pauline möchte nicht mehr mit mir sprechen

Auch beim Mittagessen bekam ich fast keinen Bissen herunter. Und auch bei den Hausaufgaben konnte ich mich nicht konzentrieren und starrte immer zum Fenster heraus. Wenn Pauline sich doch zumindest einmal melden könnte! Ich griff zum Handy um bei Pauline anzurufen. Es läutete und läutete, doch niemand nahm ab. Ich hörte mir ihre Durchsage an, um zumindest ihr Stimme zu hören. Dann legte ich auf. Ich versuchte es auch bei ihr am Festnetz-Telefon. Wieder läutete es ein paar Mal, bis endlich eine tiefe Männerstimme abhob: „Ja, Hallo?“ „Hallo, hier spricht Sinja Wunder, die Freundin von Pauline. Könnte ich bitte Pauline einen Moment sprechen?“, fragte ich. „Ich schaue mal eben, ob sie da ist.“, antwortete der Mann freundlich. Es war Paulines Vater. Innerlich betete ich leise: „Bitte lass sie da sein! Bitte lass sie da sein! Bitte lass sie da sein!“ Ich hörte wie der Vater von Pauline eine Treppe hinauf ging und eine Tür öffnete. Dann hörte ich nur sehr leise und sehr gedämpft wieder seine Stimme: „Pauline? Sinja möchte dich sprechen.“ Er versuchte wohl gerade das Mikro zuzuhalten. „Ich kann gerade nicht! Sag ich bin gerade unterwegs!“, hörte ich Pauline keifen. Sofort sank ich in mich zusammen. „Sinja, bist du noch dran?“, hörte ich wieder die Männerstimme. „Äh, ja, klar!“, sagte ich schnell. „Pauline ist gerade unterwegs. Soll sie dich nachher zurückrufen?“, fragte er. „Ja, das wäre super!“, antwortete ich tapfer. Dann sagten wir noch Tschüss und ich legte auf. Gleich darauf kullerte mir die erste Krokodilsträne über die Wange. Wollte Pauline wirklich nichts mehr mit mir zu tun haben? War sie so sauer auf mich? Den restlichen Nachmittag verbrachte ich damit, Schokolade in mich reinzustopfen, mindestens 20 Taschentücher voll zu heulen und zum Fenster heraus zu starren. Dann war es auch schon Abend, ich aß beim Essen wieder fast nichts und legte mich früh schlafen. Ich konnte zum Glück auch sehr schnell einschlafen und ich hoffte, dass die Welt morgen schon wieder ein Stückchen besser aussah.

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Oh neiiin... die arme Sinja!