Eure Geschichten

Ad­vents­ka­len­der-Ge­schich­te #2

Ein Spiel mit dem kleinen Bruder

„Du bist“, meinte mein Bruder, nachdem er seinen Zug gemacht hatte. Ich rückte meinen Weihnachtsmann, den blauen, ein Feld nach vorne, nachdem ich eine eins gewürfelt hatte. Die Spielregeln waren recht simpel. Der jüngere fängt an, er muss würfeln und so viele Felder vorrücken, wie der Würfel sagt. Allerdings gibt es eine Schwierigkeit. Jeder hat fünf Geschenke, und wenn man den Dieb würfelt, muss man ein Geschenk hergeben. Beide Figuren müssen über die Ziellinie, dann ist das Spiel vorbei. Dort warten dann die Kinder, die sich über Geschenke freuen. Wer die meisten Geschenke hat, hat gewonnen.

„Jetzt du“, sagte ich müde zu Tilo. Er nickte begeistert, würfelte und seine Augen wurden noch größer. „Is habe… warte… eins, zwei, drei, vier, fünf… Is habe fünf!“ Er rückte seine Figur vor, es war die Rote. Zum tausendsten Mal blickte ich auf die Uhr. Zehn Minuten waren gerade mal vergangen, seit ich unfreiwillig aus meinem Bett stieg. Manchmal konnten kleine Brüder echt anstrengend sein.

„Is hab eine fühüüüünf! Is hab eine fühüüüüünf!“ sang mein Tilo. „Ja, du bist kurz vor der Ziellinie“, stimmte ich ihm zu. ‚Endlich‘, dachte ich. Dann wäre es fast fertig, denn auch ich bräuchte nur noch vier Felder vor dem Ziel. Ich würde ihm dann sein Hörspiel anmachen und wenn alles gut lief, konnte ich noch zwei Stunden schlafen.  

Ich würfelte. „Mist, schon wieder der Dieb!“, fluchte ich halbherzig, um meinem Bruder weiszumachen, ich würde mich ärgern. „Haha!“, lachte er mich aus. „Is bin!“ Er würfelte, und brachte mit seiner drei vier von fünf Geschenken über die Ziellinie. ‚Bitte eine fünf‘, betete ich. Dann wäre das Spiel zu Ende. Ich liebte meinen Bruder zwar über alles, aber sein Lieblingsspiel fand ich so langweilig wie Herr Weihen, unserem Lateinlehrer, bei seinen endlosen Vorträgen zuzuhören. Kaum einer schaffte das. Die meisten malten etwas, spielten heimlich auf ihren Handys oder dösten einfach vor sich hin. Unter der ersten Gruppe war ich. Ich denke, in meinem Lateinheft sind derweilen mehr gelangweilte Kritzeleien, als irgendein Unterrichtsstoff.

„Ja! Ich habe eine fünf!“, freute ich mich. Damit war ich übers Ziel. Zwar hatte ich verloren, aber erstens gönnte ich meinem Bruder den Erfolg und zweitens hätte ich nun endlich meine Ruhe. Vorerst.

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