Eure Geschichten

Cle­os Rei­se #15

Ran an die Arbeit

Die Sonne ging auf und kurz darauf waren auch Clari und Jasmin aufgestanden. Clari wurde von Jasmin gleich in die Beete geschickt und Cleo ging mit erwartungsvoll hungrigem Bauch zum Tisch. Doch heute stand dort kein Essen. Der Tisch war vollkommen leer. Da kam Jasmin auf sie zu: „Ah, da bist du ja“, sagte sie. „Du kannst gleich zu Clari gehen und ihr helfen. Die Kartoffelpflanzen müssen noch nach Käfern abgesucht werden. Du weißt schon, Kartoffelkäfer. Und dann kannst du noch…“, und sie zählte eine lange Liste mit Sachen auf, die Cleo noch machen sollte. Offenbar genoss sie es, ihr so viel aufzutragen. Nach Frühstück sah es also nicht aus. Durch den leeren Tisch bezweifelte sie, dass Jasmin überhaupt noch etwas Essbares hatte. So lief sie also zum Kartoffelbeet und verbrachte den restlichen Vormittag damit, Kartoffeln von Schädlingen zu befreien, zu ernten und das Unkraut in den Reihen zu beseitigen.

Zum Mittagsbrot gab es nichts. Jasmin war noch nicht wieder da und keiner der Vier traute sich ohne zu fragen an ihre Vorräte. Was schon irgendwie etwas seltsam war, da Jasmin kaum ein Jahr älter war als sie. Am frühen Nachmittag kam Jasmin wieder und wies die anderen an, mit ihr zusammen die Hütte zu flicken. Den ganzen Nachmittag verbrachten sie damit, Moos und Flechten in die Ritzen zu stopfen, kaputte Stöcker auszutauschen und neues Feuerholz anzuschleppen, das sie zum Trockenen unter einen großen Felsvorsprung legten. Um dies zu sammeln, musste man immer zuerst den halben Wald durchkämmen (so kam es Cleo jedenfalls vor), dann die Stöcker den langen, schmalen Weg und den riesigen Felsen hinuntertragen. Das hieß, wenn man unten angekommen war, musste man sich den ganzen Weg wieder hochquälen, um den nächsten „verdammten Ast“ zu holen.

Wo bist du, Mama?

Abends ließ sich Cleo dann ganz erschöpft auf ihre Matte fallen. Jasmin schlief fast sofort ein und so hatte sie schon nach kurzemt Zeit zum Nachdenken. Sie musste wieder an das denken, was sie auch schon heute früh so beschäftigt hatte: Wie sollte sie ihre Mutter finden? Ihren Vornamen kannte sie nicht und ihr Nachname war womöglich ihr eigener. Aber so wie es aussah, bestand ohne eine Adresse oder eine Kontaktperson keine Möglichkeit, sie zu finden. Sie stand auf und trat aus der Hütte. Wie heute früh war auch jetzt der Himmel mit Sternen übersät. Leise tapste sie durch die Dunkelheit zum Meer. Ob ihre Mutter sie jemals vermisst hatte? Und würde sie sie überhaupt erkennen? Nein, diese Frage war sinnlos, sie würde sie nicht erkennen, wie auch. Sie seufzte, drehte dem Wasser den Rücken zu und legte sich zum Schlafen hin.

Kontakte knüpfen

Die nächsten Tage verliefen alle ungefähr gleich: Entweder sie buddelte mit Clari in den Gemüsebeeten rum oder sie ging zusammen mit Ben im Wald auf Nahrungssuche. Dann kamen sie meist mit Tüchern und angesprungenen Plastikschüsseln voller Blätter und Zeugs zurück, dessen Namen Cleo nicht kannte. Ben wusste die Namen der Pflanzen auch nicht, doch er schaffte es im Laufe der Zeit sein Wissen auf Cleo zu übertragen. Zudem merkte Cleo schnell, dass ihr die Arbeit im Wald mehr Spaß als alles andere machte, was vielleicht auch daran lag, dass Ben der Einzige war, mit dem sie sich wirklich unterhalten konnte. Das hieß nicht, dass sie mit den anderen nicht zurechtkam, aber bei Clari wusste jeder gleich, wenn man sie auch nur ansah, dass sie lieber für sich bleiben wollte. Jasmin konnte Cleo einfach nicht leiden, auch wenn Cleo selbst nicht den leisesten Schimmer hatte, was sie getan hatte. Und mit Liam war das so eine Sache. Wenn er in der Nähe war, hatte sie einfach immer Angst, irgendetwas falsch zu machen, selbst wenn es dazu keinen Grund gab. Denn sie wusste genau, dass Liam es ihr nicht übelnehmen würde, sollte sie etwas verkehrt machen. Aber es war ihr einfach total peinlich. Bei Ben war ihr so etwas nicht peinlich. Der Junge war fast anderthalb Jahre älter als sie und mit der Zeit war er für Cleo so etwas wie der ältere Bruder geworden. Doch selbst ihm hatte sie nichts davon erzählt, dass sie sich danach sehnte, herauszufinden, wer ihre echte Mutter war. Liam war der Einzige, der es bis jetzt wusste.

Aufbruch in den Wald

Cleo war nicht zimperlich, doch das Leben in der Hütte war hart und sie hatte keine Lust, ihr restliches Leben als Obdachlose oder – was sie nicht bezweifelte - dass wenn Petro sie eines Tages aufhören würde zu suchen, in einem Kinderheim zu verbringen. Es war nun auch kälter geworden, man merkte, dass der Herbst langsam einsetzte. Jasmin hatte Ben, Clari und sie losgeschickt, um nach wildem Obst und Nüssen zu schauen. Cleo, die von Clari nur die leise Stimme und das ewige Schweigen gekannt hatte, und somit damit gerechnet hatte, dass das Mädchen nicht so sonderlich gut damit zurechtkommen würde sich durchs Unterholz zu kämpfen, das in einigen Teilen des Waldes doch sehr dicht war, hatte sich geirrt: Das Mädchen sprang so geschickt wie keiner von ihnen über riesige, umgefallene Bäume und auch keiner von ihnen kam so schnell durch die dichtesten Büsche, so dass sie ihnen immer ein ganzes Stückchen voraus war. Es sah aus, als ob sie an einem Geländelauf teilnehmen würde. Doch all dies geschah schweigend von Claris Seite und Cleo hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass Clari Angst hatte zu viel von sich Preis zu geben, wenn sie mit ihnen redete.

Äpfel ernten

Der Boden war matschig, tags zuvor hatte es geregnet. Cleos Turnschuhe waren durchweicht, aber das waren sie fast immer und langsam störte es sie auch nicht mehr. Plötzlich lichtete sich das Dunkel und vor ihnen tauchte ein großes Anwesen mit einem verwildertem Obstgarten auf, das von einem verwitterten Holzzaun umgeben war. Ben stieß eine blau gestrichene Zauntür auf und sie traten ein. Cleo schaute sich um. Die Bäume schienen überwiegend Äpfel zu tragen, aber sie konnte auch einen anderen entdecken, dessen Früchte sie nicht kannte. An einem Baum lehnte eine verwitterte, grüne Holzleiter, aber sie sah aus, als wäre sie schon ewig nicht mehr benutzt worden. Als sie so im Garten stand, packte Cleo das komische Gefühl, den Garten schon mal gesehen zu haben. Es kam ihr alles so bekannt vor, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann das gewesen sein sollte. „Kommst du?“, fragte Ben. Cleo nickte. „Was machen wir hier eigentlich?“, wollte sie wissen. „Hier wohnt eine alte Dame, der das Anwesen gehört. Sie schafft es nicht mehr die Äpfel allein zu ernten, also machen wir das für sie. Im Gegenzug dürfen wir die Hälfte behalten“, klärte Liam sie auf. „Ist es nicht noch ein bisschen früh für Äpfel?“, wunderte sie sich. Ben zuckte mit den Schultern: „Woher soll ich das wissen? Ich habe nun wirklich keine Ahnung von Äpfeln! Aber wir haben sie letzte Woche getroffen und da meinte sie, wir könnten bald zum Ernten vorbeikommen.“

Er führte die kleine Gruppe zu einem winzigen Schuppen. Er war rot-weiß angestrichen und erinnerte mit seinem eingefrästen Herz auf der Tür eher an ein Plumpsklo. Liam schob den hölzernen Riegel zur Seite und holte zuerst einen großen, geflochtenen Korb und dann eine große, verwitterte Holzleiter heraus, die so schwer war, dass er sie kaum halten konnte. In Windeseile legte er sie den restlichen Dreien  vor die Füße und schnappte sich den Korb. „Ihr nehmt die Leiter und ich den Korb“, verkündete er. Cleo grinste: „Das hättest du wohl gerne! Ich nehme den Korb und ihr die Leiter!“ So zankten sie sich noch eine ganze Weile, bis Ben den Vorschlag in die Runde warf, sie sollten alle vier die Leiter tragen und den Korb daraufstellen. Da waren alle zufrieden.

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Eure Kommentare

Voll spannend! Ich bin so froh, dass du weiterschreibet, diese Geschcihte bezaubert mich immer so 🥰. Irgendwie glaub ich, dass Clari diesen Jansen kennt…. Vielleicht ist er ihr Vater?! Weil sie hat so komisch reagiert, als Cleo seinen Namen gesagt hat.