Eure Geschichten

Er­in­ne­run­gen ei­nes Som­mers - Ka­pi­tel 1

Mein altes Handy

Ich drückte auf dem Handy die Pause-Taste. Stumm starrte ich auf meine Zimmerwand, und versuchte, das zu verkraften, was ich gerade gesehen hatte. 

Es war ein regnerischer Donnerstag, und meine Mutter, der Flohmarkt-Freak das Jahrtausends, hatte mal wieder eine "grandiose" Idee gehabt, wie wir den Tag umsetzen konnten. Sie fieberte schon seit Wochen dem Flohmarkt am Samstag entgegen, denn diesmal wollte sie ihren eigenen Stand eröffnen. Dazu sollte auch ich beitragen. Meine Mutter hatte mir mit den Worten; "Sieh einmal, Cassandra, all deine alten Sachen!" zwei Kisten, einst mal rosa, durch die Sonne ausgeblichen, in die Hand gedrückt. Ich sollte die Sachen, die man noch verkaufen konnte, herausholen. Als ich in der ersten Kiste mein altes Klapphandy fand, war ich nicht überrascht. Als ich in der fünften Klasse war, hatten alle plötzlich ein Smartphone. Ein Mädchen bot mir an, mein Klapphandy kaputt zu machen, damit meine Eltern mir ein neues Smartphone kauften. Ich, als zehnjährige, fand die Idee grandios. Erschrocken sah ich zu, wie sie es im Waschbecken unter Wasser hielt, und das ganze zwei Minuten lang. Ich bereute die Idee direkt, und als das Handy nicht direkt wieder hochfuhr, wurde ich panisch. Ich erzählte meinen Eltern, ich hätte es verloren. Ich bekam mächtig Ärger, aber immerhin gaben sie mir dann ein altes Smartphone. Das Klapphandy konnte ich aber nicht einfach so wegschmeißen, deshalb vergrub ich es in einer Kiste unter ein paar alten Comics meines Vaters, die ich ehe nie gelesen hatte. Diese Kiste hielt ich nun in der Hand. Das das Klapphandy nach vier Jahren wieder hochfuhr, hatte ich jedoch nicht erwartet. So war es dazu gekommen, das ich die knappe Fotogalerie, mit nicht mehr als zwanzig Fotos, ansah. Zwischen peinlichen Selfies und Aufnahmen von irgendwelchem sinnlosen Zeug, das ich im Internet gefunden hatte, war dieses Video. 

Alte Urlaubserinnerungen

Es war nicht mal eine Minute lang, und zeigte mich mit ungefähr vier anderen Kindern auf einer Wiese. Ich war an dem Zeitpunkt zehn gewesen, da das Aufnahmedatum im Sommer zwischen meinem viertem und meinem fünften Schuljahr lag. An diesen Sommer konnte ich mich nur vage erinnern, aber dieses Video füllte alle entscheidenen Puzzleteile. Wir waren damals in einem Hotel gewesen, wo ich gute Freunde gefunden hatte. Ich war in diesem "Urlaubswahn", wie man es sagen könnte, gewesen, man traf Freunde und versprach ihnen, man würde sich wiedersehen, obwohl das eigentlich nie geschah. Doch in meinem Fall sah es wohl anders aus. Wie der Zufall es wollte, hatten meine Eltern nämlich geplant, das wir in zwei Wochen wieder in dasselbe Hotel fuhren. 

Ich hatte natürlich schon gewusst, dass wir schonmal dort gewesen waren. Aber das ich jetzt das Video sah, erinnerte mich erst an den Eindruck, den ich dort hinterlassen hatte: ein freches, tollpatschiges Mädchen. All diese Eigenschaften hatte ich in den letzten Jahren aus mir verjagt, oder es zumindest versucht, aber es war wie ein Fußstapfen, den ich bereits hinterlassen hatte. Wenn ich jetzt zurückging, müsste ich mich eindeutig blamieren. All die gebrochenen Versprechen, die in der Luft hingen, wären jetzt ans Licht geführt. Und noch schlimmer war, dass ich möglicherweise meine alten Freunde treffen könnte. Ich entschied mich sicher, das ich diese Situation vermeiden musste. Unter allen Umständen! 

Diskussion mit den Eltern

"Ihr versteht es nicht!" Ich saß meinen Eltern gegenüber, die mich verwirrt anstarrten. "Ich-äh-ich meine das ich-ähm-auch mal andere Orte besuchen möchte, versteht ihr?" Meine Mutter runzelte die Stirn. "Cassandra, das wir in diesem Hotel waren ist vier Jahre her. Du bist jetzt vierzehn. Was du mit zehn gemacht hast, ist schon gute Vergangenheit." Mein Vater nickte. "Ja. Wir haben das Hotel bereits gebucht, du musst dich damit zurecht finden." Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber wieder schnell. Die Sache war wohl erledigt. Seufzend wendete ich mich meinem Abendessen zu.  

Abreise und Ankunft

Die letzte Schulwoche und die erste Ferienwoche vergingen wie im Flug. Wir hatten kaum etwas für die Schule zu tun, und die Ferien begann ich entspannt mit Freunden und zögerlichem Kofferpacken. Bevor ich es wusste, war schon der Tag unserer Abreise gekommen, und ich war mit meinen Eltern in den Zug gestiegen. Ich war wegen des warmen Wetters und des WLANs im Zug, das alle zwei Minuten abstürzte, genervt. Stumm wendete ich mich von meinen Eltern ab und starrte in ein Buch, das ich mitgebracht hatte, jedoch wirkte der Inhalt plötzlich langweilig und mir kam eine Seite wie drei Kapitel vor. Ich war überraschenderweise relativ erleichtert, als wir endlich ausstiegen und das Hotel an der Ferne schon zu erkennen war. Ein kleiner, klimatisierter Bus führte uns zwar etwas holperig, aber immerhin schnell, vor die Tore des Hotels. 

Als wir schließlich dort waren, führten mich meine Eltern über den Parkplatz und mitten in das Gelände rein. Sie mussten sich bei der Rezeption anmelden, und ich sollte mit unserem Gepäck draußen warten. Gelangweilt sah ich zu den Sonnenschirmen neben dem kleinen Pool, der durch einen Zaun von der Wiese aus dem Video getrennt war. Davor war das Restaurant, und als ich meinen Blick durch die Tische geleiten ließ, sah ich etwas, oder genauer gesagt jemanden, der mich zum Stocken brachte. 

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Eure Kommentare

Voll cool!

Echt guter Anfang :)

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Super schöne Geschichte! 

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So coole Geschichte wie bist du auf die Idee gekommem?

 Super Geschichte 

Wirklich ein wunderschöner Anfang! Wie bist du auf die Idee gekommen?