LEA UND SA­RA #2

DER SEE 

 

,,Sara, kommst du endlich?" ertönte Leas Stimme durchs Haus. Sie hatten zu Mittag gegessen, die Umzugskartons und Koffer in ihre Zimmer geschleppt und wollten jetzt ein bisschen die Umgebung auskundschaften. ,,Ja Lea! Ich komme ja!" lautete die Antwort und Sara kam die Treppe runtergehopst. ,,Bleibt aber bitte nicht zu lange weg, ja?" rief Frau Metzner ihnen noch hinterher, dann fiel die Tür zu. Lea und Sara schlenderten an ein paar Häusern vorbei, die ähnlich aussahen wie ihres, dann streckte sich vor ihnen eine große Wiese aus. ,,Ich glaube, da hinten ist ein See!" schrie Sara auf und rannte los. Und wirklich, ganz hinten glitzerte ein kleiner See in der Mittagssonne. ,,Sara, warte auf mich." rief Lea und rannte ihrer Schwester hinterher. Der See hatte da, wo sie meinten dass er aufgehört hatte, erst angefangen. Die Ufer zogen sich weiter und weiter sodass man das gegenüber liegende Ufer nur als Finger dicken streifen erkennen konnte. Der See war tief, sehr tief. Das Wasser hatte einen dunklen blau Ton und glitzerte doch so hell das es einen ganz irre machte.

IN TRANCE

Sara stand am Ufer des Sees auf einem von Büschen verdecktem Steg und starrte auf das Wasser. ,,Was ist?" fragte Lea und wunderte sich das Sara den See so interessant fand. Doch Sara konnte den Blick einfach nicht abwenden. Das Wasser hatte irgendetwas an sich. Irgendetwas magisches. Es glitzerte und funkelte geheimnisvoll in der Sonne und doch war das Farbenspiel das dadurch erzeugt wurde nicht der Grund für das starren. Der Grund war das Wasser selber. Es hätte rot, grün oder pink sein können, ohne das es Sara aufgefallen wäre. Das einzigste, wofür sie einen Blick frei hatte war allein das tief blaue Wasser. Es wogte und wiegte still umher und doch war es so als ob es Sara etwas zu flüstern würde. Sie konnte es nicht verstehen und doch wusste sie was es bedeutete. Es rief sie. Es lud sie zu sich ein. Es wollte sie dazu verführen hinein zu springen und sich von ihm umschließen zu lassen. Lea blickte nun auch auf den funkelnden See. Es war ihr unerklärlichen was ihre Schwester hatte, doch sobald das Wasser ihren Blick eingefangen hatte, lies es ihn nicht mehr los. Sie waren beide wie in Trance und konnten sich dem Wasser nicht entziehen. Sie konnten nicht mehr entscheiden, nicht mehr fühlen und nicht mehr denken. Sie hatten ihren Willen verloren und waren ganz dem Wasser ausgeliefert.

Jetzt hatte das Wasser sie soweit. Sara konnte nicht mehr wiederstehen. Sie kniete sich auf die Holzplanken und streckte einen Arm nach dem Wasser aus und dann den anderen. Ganz langsam. 

Lea nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, dass riss sie aus der Trance. Sie blickte zu ihrer Schwester, die beide Arme, Zentimeter von der Wasseroberfläche entfernt, ausgestreckt hielt, und bemerkte ein Schild auf dem

! Achtung Lebensgefahr !

Betreten des Sees strengstens verboten 

geschrieben stand.

Im gleichen Augenblick hatte Sara das Wasser berührt. Ein elektrischer Schlag durchfuhr ihren Körper. Die Trance hatte sie losgelassen Sie handelte jetzt nach eigenem Willen und der sagte ihr das sie jetzt springen sollte. Sie stand auf und setzte zum Sprung an.

,,Sara, NEIN!" rief Lea aus Angst um ihre Schwester. Und griff nach ihrer Hand. Im gleichen Moment war Sara abgesprungen und Lea wurde mitgerissen. 

MAGISCH ODER GRUSELIG?

Die Zeit die sie in der Luft verbrachten, war eine gefühlte Ewigkeit. Es kam ihnen vor, wie Tage in denen sie wie in Zeitlupe durch die Luft flogen. Und doch waren es nur Sekunden. Die erste die ins Wasser fiel, war Sara. Kein Tropfen flog zur Seite als sie mit der Oberfläche kollidierte. Es war als würde das Wasser sie einlassen, für sie Platz machen. Und gleich danach umschloss es sie wieder wie eine Decke, nur um Sekunden später für Lea Platz zu machen. Sie erlebte das gleiche wie Sara und sank mit ihrer Schwester auf ein paar Meter ab, dann kamen sie zum Stillstand. Kein Wässerchen rührte sich, alles schien die Luft anzuhalten und abzuwarten was gleich geschehen würde. Und plötzlich veränderte sich etwas in Sara, sie konnte nicht genau sagen was, aber es war wie als würde etwas in ihr zurecht gerückt, an den richtigen Platz geschoben werden. Plötzlich glomm ein Licht auf. Von der einen Sekunde auf die andere und es durchzuckte sie abermals wie ein elektrischer Schock. Sie sah wie ihre Schwester den Mund Aufriss, sie sah wie sie auf sie deutete und die Augen Aufriss. Dann passierte etwas seltsames. Lea klappte der Mund wieder zu, dann auf und sie schrie. Es war nicht irgendein Gegurgel, es war ein klarer und lang gezogener Schrei und bleib noch einige Sekunden im Wasser hängen, wie ein Echo und eine tiefe, drückende Stille breitete sich aus in der Sara und Lea darüber wunderten, das Lea unter Wasser schreien konnte. Doch sie hatten es beide schon bemerkt. Sie hatten atmen können.Als sie genug gestaunt hatte machte Lea den Mund wieder auf und sagte: ,,Du brennst! Sara, du brennst!" und gleichzeitig sagte etwas in ihr, dass das, das natürlichste der Welt war. Im gleichen Moment zog etwas an ihr. Es zerrte und riss an ihr sodass ihre Lungen zusammen gepresst wurden und sie keine Luft mehr bekam. Einen kurzen Moment lang wehrte sie sich, doch dann verließ sie die Kraft und sie lies sich mitreißen. Es war als wäre sie in einem Strudel gefangen, in einem Strudel der sie immer und immer schneller um sich wirbeln lies. Sie hatte die Augen geschlossen, denn sie durchlebte dieses Abenteuer ganz anders. Für sie war es ein Tanz, ein Tanz den sie mit dem Wasser Tanzte. In anmutigen Bewegungen glitt sie durch das Wasser hindurch, und dass wiederum schien sie zu stützen. Doch genauso schnell wie es angefangen hatte, ebbte es auch wieder ab. Nun stand sie ganz anders im Wasser als vor dem Tanz. Sie trudelte nicht mehr hilflos herum, jetzt schwebte sie. Sie glitt leicht und weich durch die Wogen des Sees, als wäre er Luft.

Zeitgleich mit ihrer Schwester erlebte auch Sara ein Wirbel. Doch ein Wasserwirbel war es nicht. Es war viel wärmer und wilder als der ihrer Schwester. Nachdem Lea sie darauf aufmerksam gemacht hat, hatte Sara das Feuer auch bemerkt. Auf Armen und Beinen hatte sie es gesehen und am Rest des Körpers gespürt. Aber es war kein aggressives Feuer, es war sanft und gutmütig und hieß sie willkommen. Dann hatte es angefangen zu kribbeln. Erst ganz langsam und leicht und dann immer stärker und kräftiger, bis es anfing auf der Haut zu brennen und zu ziepen. Doch Sara merkte nichts davon. Für sie war das wie eine wohltuende Massage. Das Feuer strudelte um sie herum und spielte mit ihr. Sie lies es sich gefallen, lachte und hatte für den Augenblick genz vergessen wer und wo sie war. Doch die Wirklichkeit lies nicht lange auf sich warten. Das Feuer zog sich immer weiter zurück, bis nicht der kleinste Funken übrig blieb. Sie kam eben im gleichen Moment ins hier und jetzt, wie ihre Schwester. Sie waren immer noch ganz mitgenommen von dem geschehenen. Beide versuchten in den Augen der anderen zu lesen, ob das was sie gerade erlebt hatten, wirklich geschehen war. So starrten sie sich beide fragend, mit großen Augen an, bis Lea endlich fragte: ,,Ist dass gerade wirklich passiert?"