Eure Geschichten

Wai­sen­haus­kin­der in Ge­fahr Ka­pi­tel 2

Chaos in der Küche

„Keine Sorge, ich komme!“, rief ich, ohne überhaupt zu wissen, wer eigentlich Hilfe brauchte.

Zusammen mit Ming und Lisa stürmte ich los. Als erste erreichte ich die Eingangstür und  öffnete sie, ohne zu zögern.

„Aaahhh!“, ertönte es auf einmal. Dann war eine Weile lang nichts mehr zu hören.

Trotzdem lief ich weiter, in der Hoffnung, früh genug die Tür zur Küche zu erreichen.

Endlich kam ich an meinem Ziel an und stieß unsanft die Tür auf. Laut quietschend sprang diese auf.

Innen drin stockte mir der Atem. Schlagartig blieb ich stehen und betrachtete mit offen stehendem Mund die langen Bänke und den großen Tisch.

Hinter mir kamen Lisa und Ming an. Doch Ming stoppte zu langsam und rannte mir direkt in den Rücken.

Laut schreiend fielen wir beide auf den Boden.

„Was ist denn hier passiert?“ Lisa drehte sich verblüfft im Kreis.

Die Bänke waren umgefallen und der Tisch war von fließendem Wasser überschwemmt. An der Spüle lagen die Teller und Tassen als kleine Scherben auf dem Holzboden.

„Keine Ahnung“, meinte Ming. „Anscheinend nichts Gutes. Und wo sind überhaupt Linus und Timmi?“

„Banditen!“ Auf einmal stand Linus hinter uns in der Tür. „Sie waren plötzlich da und gingen so schnell wie sie kamen.“

„Banditen?“ Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. „Ich hole Schwester Marie.“

„Stopp!“ Ming sprang vom Boden auf und klopfte sich den Dreck von ihrem Kleid.  „Du weißt doch noch gar nicht, wo Timmi ist! Das willst du doch auch wissen, oder?“

„Klar“, meinte ich und setzte mich auf die einzige Bank, die nicht umgekippt war.

„Also, wie gesagt: Es waren Banditen! Sie kamen durch die Hintertür. Da durch habe ich eine Kutsche gesehen, mit der sie wahrscheinlich gekommen sind. Ich bin sofort weggelaufen, doch Timmi war nicht schnell genug. Sie schnappten ihn und nahmen ihn mit.“

„Was!?“, rief Lisa völlig außer sich. „Aber das können die doch nicht machen!“

Ich sah sie ernst an. „Anscheinend doch.“

Dann schwiegen eine Weile lang alle.

Ming war die erste, die wieder zu Wort kam. „Also, ich hole jetzt Schwester Marie. Sie muss das wissen!".

Warum Timmi?

Was ist hier los?“ Nur wenige Minuten später kam die Ordensschwester in die Küche.

Erschrocken sah sie in die Runde.

„Also, es ist so …“ Ich erzählte kurz was passiert war. Schwester Marie nickte immer wieder mit gerunzelter Stirn.

„Aber was wir nicht wissen, ist: Was wollen sie von  Timmi? So weit ich weiß, holen die sich doch nur Prinzessinnen oder so, richtig?“, gab Ming zu bedenken.

Schwester Marie nickte eifrig. „Da hast du Recht“, meinte sie. „Das kann ich mir auch nicht erklären.“

„Vielleicht“, fing Lisa eine Erklärung an, „vielleicht wollten sie ja auch eigentlich Linus mitnehmen, der ist aber entwischt und als Köder für ihn haben sie seinen besten Freund Timmi mitgenommen, weil sie wussten, dass Linus ihn finden würde. Dann hätten sie ihn.“

Ich stimmte ihr zu. „Ja, das klingt logisch. Aber wieso würden sie denn Linus mitnehmen wollen?“

„Stimmt.“ Lisa zuckte mit den Schultern. „War ja auch nur eine Vermutung.“

„Warte mal, Linus, was weißt du über deine Vergangenheit? Waren deine Eltern vielleicht Edelleute? Oder irgendein anderer Verwandter?“ Schwester Marie gab nicht auf.

Linus schüttelte den Kopf. Dann meinte er etwas verwirrt: „Nein, so weit ich weiß kam ich schon als kleines Baby hier her. Ich war höchstens drei Jahre alt. Da kann ich mich an fast nichts mehr erinnern. Außer dass ich in einem Wald von Schwester Marie gefunden wurde, genau wie du, Marly. Komischer Weise war Linus schon im Wald mein bester Freund. Ich weiß nicht, wie wir uns kennengelernt haben.“

„Na ja, ist ja nicht so schlimm.“ Ich gähnte. „Aber können wir jetzt erst mal zu Abend essen? Sonst stehen wir hier noch bis 1965. Und das ist noch ein halbes Jahr hin.“

Die Brieftaube

Am nächsten Morgen wurde ich von einem zwitschernden Vogel geweckt. Ich sah nach draußen. Die Sonne ging gerade hinter dem Horizont auf, und es war noch etwas kühl.

Leise schmiss ich mich wieder in mein Bett und versuchte weiter zu schlafen. Doch der Vogel wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen.

Also gab ich nach kurzer Zeit auf und legte die Decke zur Seite. Dann schlüpfte ich in meine Pantoffeln und öffnete das Fenster. Davor saß eine kleine, graue Taube, die mich erwartungsvoll ansah.

„Na, du kleines Vögelchen? Weshalb weckst du mich so früh?“, fragte ich die Taube liebevoll.

Da entdeckte ich an dem Bein des Vögelchens einen vergilbten Zettel. Durch den Regen heute Nacht war er ganz nass, und die Tinte, mit der etwas auf das Papier geschrieben war, war fast komplett verwischt.

„Ming!“, rief ich, um meine Freundin zu wecken. Dabei musste ich aufpassen, dass nicht die ganze Gruppe aufwachte. Ich wohnte nämlich zusammen mit allen anderen in einem Zimmer. Dabei musste man tierisch aufpassen, dass niemand aus seinem Schlaf erwachte, bevor es spät genug war.

„Ja? Was ist denn?“ Müde sprang Ming aus ihrem Bett. Dann sah sie sich im Schlafzimmer um. „Es ist doch noch so früh …“

„Meckere nicht“, befahl ich ihr. „Sie lieber, was ich entdeckt habe. Oder besser gesagt: Wer mich entdeckt hat.“

Schläfrig streiften wir uns unsere Morgenröcke über und liefen zum Fenster. Immer noch saß still und friedlich die kleine Taube da.

„Ich glaube, es ist eine Brieftaube. Jemand muss sie los geschickt haben.“ Ich zeigte auf das Zettelchen an dem Bein des Vögelchens.

Ming zog einen Schemel heran und setzte sich. „Ich schau mal, ob ich das lesen kann.“

Die nächsten Minuten passierte nichts. Ming hatte die Stirn gerunzelt und sah angestrengt auf das Zettelchen.

Am Ende schüttelte das schwarzhaarige Mädchen ungläubig den Kopf. „Das glaub´ ich einfach nicht …“

„Nun erzähl schon!“ Auch ich zog mir einen Stuhl an die Fensterbank. „Was hast du heraus gefunden?“

Ming schüttelte wieder den Kopf. „Nicht jetzt, nicht hier. Ich nehme mir nur den Zettel mit, dann darf die Taube auch wieder fliegen. Was da drauf steht, verrate ich dir nach dem Frühstück. Wir treffen uns mit Lisa am See, ja?“

„Alles klar.“

Die Nachricht

Etwa drei Stunden später saß ich am See und wartete auf Ming und Lisa. Eigentlich hätten die zwei schon vor 20 Minuten hier sein müssen, aber vielleicht war ja auch Mings Rock gerissen, und die zwei waren am Waisenhaus geblieben um ihn zu zu nähen.

Doch da lag ich falsch. Schon fünf Minuten nachdem ich die Schuhe ausgezogen und sie in den See hängen gelassen hatte, trudelten die beiden laut keuchend am Treffpunkt ein.

„Ich musste Lisa noch in die Geschichte einweihen“, verteidigte sich Ming.

Ich sah nach oben zur Sonne. „Ja, und dafür habt ihr eine halbe Stunde gebraucht. Ming, du konntest schon mal besser lügen!“

„Ja, ja, schön dass du nicht sauer bist.“ Ming setzte sich und riss ein paar Gänseblümchen vom Boden ab.

„Jetzt erzähl schon: Was stand auf dem Zettel?“ Nun war ich richtig neugierig.

„Also, es ist so, ob ihr es glaubt oder nicht, Timmi hat geschrieben!“

„Na, und was schreibt er?“ Jetzt mischte sich auch Lisa ein. „Spann uns doch nicht so auf die Folter.“

„Okay,“, fing Ming an, „er schreibt, er braucht unsere Hilfe. Aber es ist irgendwie in einem Rätsel geschrieben.“

Sie holte den gelben Zettel aus ihrer Rocktasche.

„Da steht:

 Freunde, ihr müsst mir helfen!

 Ich bin dort, wo das Weite dir droht,

 in Drachens Boot,

 im Wald ist das Brot.

Am See

„Was soll das denn?“ Verwirrt starrte ich Ming an.

Diese erklärte Lisa und mir: „Na, es ist doch ein Rätsel, Leute!“

„Manno, ich hasse so was.“ Lisa stützte ihr Kinn auf die Hände. „Aber wir sollten in ungefähr einer Stunde zurück gehen. Dann gibt es Mittagessen, sonst schimpft uns Schwester Marie.“

„Da hast du recht“, stimmte ich ihr zu.

Eine Weile lang überlegten wir alle angestrengt. Dann schlug Ming vor, noch ein bisschen am See zu spielen.

Während ich am Wasser auf einem Felsen saß und eine Meerjungfrau spielte,

hüpften Ming und Lisa am Ufer entlang und spritzten sich gegenseitig nass.

„Hi, hi, hi!“, lachte Lisa.

Ming strahlte. „Hey. Kurze Pause! Ich bin schon pitschepatschenass.“

„Na gut, ich höre auf. Aber du auch“, forderte Lisa.

„Okay.“

Eine Stunde später gingen wir alle lachend zum Waisenhaus zurück.

„Ähm, ich glaub, wir haben das Mittagessen verpasst.“ Ming sah uns an.



 

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Eure Kommentare

Die Geschichte ist super !😁 Schreib unbedingt weiter ! LG Lotti_H 😃 

Mal wieder super! Schreib unbedingt weiter!

Super spannend und cool, weiter so!

cool

 

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Super! Weiter so! LG Candy Creative 

Coole Geschichte!