Won­der­World - Der An­fang | Ka­pi­tel 3

Kapitel 3 - Auf dem Bahnsteig

Sicht: Jamil

Jamil spürte, wie der Zug in den Bahnhof einfuhr und schließlich zum stehen kam. Er wusste, dass er hier aussteigen musste, jedoch schaffte Jamil es trotzdem, irgendwie zu spät zu kommen. Ganz knapp schaffte er es noch nach draußen, bevor der Zug abfuhr. Er verschnaufte nicht, sondern rannte gleich weiter; er wollte den Anschlusszug nicht verpassen, der ihn zu seiner Tante brachte. Etwas ließ ihn jedoch stutzen: Der Kiosk am Bahnhof war geschlossen. Den meisten wäre dies einfach egal gewesen, schließlich hatte jeder Kiosk irgendwann mal zu. Doch Jamil war ziemlich oft hier; 2 mal im Monat und immer samstags. Noch nie hatte der Kiosk zu gehabt!

Tausend Gedanken schossen Jamil durch den Kopf: War der Ladenbesitzerin, Anna  (die er sehr mochte) etwas passiert? Oder war der Kiosk pleite gegangen? Vielleicht war Anna auch nur in den Urlaub gefahren… Das tat er ja schließlich auch.

Letzteres war eher unwahrscheinlich, Anna hat fast nie Urlaub, höchstens im Winter, weil sie da kein Eis verkaufen konnte. Aber gerade war Sommersaison und Brüllehitze! Blieben also noch neunhundertneunundneunzig weitere Möglichkeiten. Jamil schob diese Gedanken erst einmal beiseite und konzentrierte sich wieder darauf den Zug zu bekommen. Er rannte die Rolltreppe hinauf und musste mit Schrecken feststellen, dass sein Anschlusszug soeben abgefahren war. Hätte er doch nicht so lange über den Kioskladen nachgedacht! Dann hätte er es noch pünktlich geschafft. Seine Laune besserte sich jedoch etwas, als sein Blick auf die Anzeigetafel fiel. Der nächste Zug kam etwas früher als sonst und würde deswegen schon in 15 Minuten einfahren. Erleichtert ließ sich Jamil auf eine Bank sinken.

Kaum saß er dort, erblickte er zwei tuschelnde Mädchen, die die Rolltreppe hinaufkamen. Eines von ihnen kam ihm bekannt vor. Genau! Das war das Mädchen, Lily hieß sie, von der Toilette. Ob er sie darauf ansprechen sollte? Darauf, dass er es gemerkt hatte? Lieber nicht, sie würde ihm ohnehin nicht glauben. Die beiden Mädchen setzten sich eine Bank weiter hin. Jamil beobachtete sie. Ganz klar, es war Lily! Er musste das sofort seiner Tante erzählen! Er kramte in seinem Rucksack sein Handy hervor und drückte die Kurzwahltaste für Tante Lisbeth.

„Hallo?“, meldete sich Lisbeth am Apparat.

„Hi Lissy, ich bin’s! Ich wollte nur sagen: Ich habe sie gefunden!“

„Wen?“

„Na, du weißt schon, die Auserwählte!“

„Wirklich? Bring sie sofort her!“

„Wie denn?“

„Keine Ahnung, lass dir was ei… tüt-tüt-tüt“

Mehr konnte Jamil nicht hören, Lisbeth war bestimmt mal wieder auf den roten Hörer gekommen. Sie kannte sich nicht so aus mit Technik. Die brauchte sie auch nicht, denn da wo sie lebte, hatte man andere Möglichkeiten miteinander zu kommunizieren.

Wenig später kam eine SMS von Lisbeth:

𝙷𝚊𝚕𝚕𝚘 𝙹𝚊𝚖𝚒 𝚡𝚕𝚊𝚣𝚑𝚋𝚍𝚍𝚍𝚍𝚍𝚍𝚍𝚍𝚍𝚑𝚓 𝚊𝚞𝚏𝚐𝚎𝚕𝚒𝚒𝚒𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚐𝚝𝚋𝚎𝚎𝚎𝚎𝚒𝚕𝚕𝚐𝚐𝚍𝚏𝚊𝚞𝚞

Das bewies auch noch einmal Lisbeths Kenntnisse im SMS schreiben. Da Jamil schon daran gewöhnt war, konnte er mit Mühe ungefähr entziffern:

𝙷𝚊𝚕𝚕𝚘 𝙹𝚊𝚖𝚒𝚕, 𝚠𝚎𝚒ß𝚝 𝚍𝚞, 𝚘𝚋 𝚜𝚒𝚎 𝚊𝚞𝚏𝚐𝚎𝚕𝚒𝚜𝚝𝚎𝚝? 𝙱𝚎𝚎𝚒𝚕𝚞𝚗𝚐!

Beeilen würde er sich sowieso, schließlich wusste Jamil, dass die Zeit drängte. Und ob Lily auf der Liste stand; das rauszubekommen, dürfte nicht so schwer sein…