Eure Geschichten

Zwi­schen Licht und Schat­ten - Ka­pi­tel 1

Das einsame Dorf

Düstere Stimmung legte sich über das verlassene Dorf Wells Town. Die Wolken brauten sich zusammen, erste Regentropfen fielen. Der Wind kam auf.

Mitten in der düsteren Landschaft lief ein Mädchen die einzige Straße herunter. Der Straßenboden war aus Beton, hatte aber schon sehr große Risse. Es sah aus, als wären dort ein paar Riesen entlang spaziert. Das zierliche Mädchen beachtete die Hütten nicht, die am Wegesrand standen. Sie waren längst verfallen. Früher einmal, lebten hier viele Händler. Wells Town war eine bedeutende Metropole. Jetzt kennt niemand mehr das kleine Dorf. Wells Town ist tot.

Das Mädchen kümmerte sich überhaupt nicht um ihre Umgebung, sie lief zielstrebig zum Ende der Straße, welches in den dunklen Wald führte. Sie hatte die Hände in den Hosentaschen und die schwarze Kapuze ihres Regenmantels über den Kopf gestülpt. Leicht nach vorne gebeugt ging sie durch die Pfützen, die sich mittlerweile auf dem grauen Beton gesammelt hatten.

Sie betrat den finsteren Wald. Es donnerte laut und ein Blitz schlug ganz in der Nähe in einen Baum ein. Das alles beeindruckte sie nicht. Leise ging sie weiter. Wäre das Gewitter nicht gewesen, wäre es wohl leichenstill im Wald. Auch hier lebte keiner mehr.

Wells Town hatte nur eine Handvoll Bewohner, genau genommen zwei. Das Mädchen und ihren Vater.

Das Mädchen erreichte eine kleine Holzhütte mitten im Herzen des Waldes und ging ohne anzuklopfen herein. Hier wohnte sie. Ein schwarzhaariger Mann, der mit dem Rücken zur Tür in einem alten Schaukelstuhl saß, drehte sich langsam um. „Liora! Ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht abends weg! Was ist, wenn dich jemand erkennt?“ Den letzten Satz zischte er. Der Mann hatte müde graue Augen, rabenschwarzes Haar und schon einige Falten im Gesicht. Seine Augenbrauen waren vor Zorn zusammen gezogen. Er schien wie in einen Traum versunken, aus dem das Mädchen ihn geweckt hatte. Das Mädchen, das also Liora hieß, blieb gelassen. „Papa, hier wohnt doch eh kein Mensch! Außerdem sollst du mich Lee nennen, nicht Liora.“ Der Vater ging darauf nicht ein, er meinte nur leise: „Das Böse lauert überall... auch wenn du es nicht sehen kannst“. Damit drehte er sich wieder um und versank erneut in seinem Tagtraum. Lee wandte sich seufzend ab, zog ihre Schuhe und ihren pitschnassen Regenmantel aus und lief um die Ecke, die Treppe hinauf um kurz danach durch eine hölzerne Tür in ihr Zimmer zu verschwinden. Sie ließ sich erschöpft auf ihr Bett fallen und machte die Augen zu. 

Das verbote Buch

Es war ein anstrengender Tag gewesen. Erst hatte Lee ihrem Vater beim Holzhacken geholfen, dann hatten sie gemeinsam Feuer gemacht, ihre alltägliche Suppe gelöffelt, ein paar Kräuter im Wald gesammelt und anschließend hatte Lee natürlich noch Tränke herstellen müssen. Schließlich bestand ihr Vater darauf, dass ihre Hexenkünste weiterhin frisch blieben und nicht einrosteten, so wie seine. 

Lee machte müde die Augen wieder auf. Ihr Blick fiel wie von Zauberhand auf das alte, etwas verstaubte, dicke Buch, das ganz oben in ihrem Bücherregal stand. Es war schon ganz abgegriffen, Generationen von Schwarzmagiern hatte es schon gehört. Lee zögerte, sollte sie darin lesen, auch wenn ihr Vater darauf bestanden hatte, dass sie es nicht anrührte? Sie rang einen Moment mit sich, dann siegte jedoch ihre Neugier und sie stand auf, um das schwere Buch zu holen.

Momente später saß sie wieder in ihrem Bett und betrachtete das Buch. Es war in rotem Leder eingeschlagen und vorne auf dem Cover prangte groß der Titel: Über Zauberkunst und andere Welten, darunter stand noch etwas kleiner: Ein Werk von Achim West. Das war Lees Ururururgroßvater gewesen. Ein sehr erfolgreicher Schwarzmagier. 

Ein Traum jedes Schwarzmagiers war es, einmal so groß und mächtig zu sein, wie Achim West. Einerseits war Lee stolz darauf, dass ausgerechnet ihr Ururururgroßvater so eine Legende war, andererseits war ein Schwarzmagier eben nicht geboren um die beiden Welten zu vereinen – ganz im Gegenteil. Ein Schwarzmagier sollte für Unruhe und Kampf sorgen, und das gefiel Lee überhaupt nicht. Sie liebte alles was fröhlich war. 

In der falschen Welt?

Ja, manchmal fragte sie sich sogar, ob sie vielleicht in der falschen Welt geboren war. Aber das war nun mal sehr unwahrscheinlich. Dadurch, dass sie immer böse sein musste, verschwand diese Liebe auch langsam, aber deutlich. Ihre Gefühle waren so gut wie abgehärtet, nicht einmal Lee selbst hatte ihr inneres Ich einmal wirklich kennengelernt. Für einen Moment war sie in ihren Erinnerungen gefangen und strich leicht mit dem Zeigefinger über den Buchrücken. Ihr Finger kribbelte, und es schien so, als würde das Buch damit sagen wollen: „Öffne mich!“. Also tat Lee was das Buch von ihr verlangte, wenn auch zögerlich. Schließlich schlug sie den Buchdeckel auf. Ein modriger Geruch stieg auf und eine Staubwolke kam ihr entgegen, wodurch sie stark husten musste. Die erste Seite war leer, dafür stand auf der zweiten in geschwungener Schrift: Alles was ein Schwarzmagier wissen muss. Am liebsten hätte Lee das Buch wieder zugeschlagen – sie wollte keine Schwarzmagierin sein und somit das Böse vertreten – doch ihre Neugier siegte erneut und zwang sie, weiterzublättern. 

Auf den nächsten Seiten befand sich das Inhaltsverzeichnis. Lee überflog es schnell. Grundwissen, Für Anfänger, Für Fortgeschrittene, Für Experten, Tiersprache,...Fast wie in ihrem Lehrbuch. Als Lee jedoch bei der Mitte der Kapitel angekommen war, zuckte sie leicht zusammen, denn was dort stand, lies ihr das Blut in den Adern gefrieren: Wie du deinem Feind die Seele raubst/Tötungszauber. So etwas sollten Schwarzmagier nämlich auch können. Das Mädchen seufzte und las schnell weiter. Magier ABC, Zaubertränke und -sprüche von A-Z, Magische Begleiter, Über die anderen Welten.Das letzte Kapitel war noch einmal unterteilt in Die Welt der Guten, Die leere Zwischenwelt und Unsere Welt, die „Böse“. Lee hielt einen Augenblick inne, dann schlug sie das Buch auf der Seite auf, wo dieses Kapitel begann. Gespannt überflog sie die ersten Zeilen.

Über die anderen Welten

Allem voran erst einmal: Es gibt drei Welten. Die „Gute“ Welt, die Zwischenwelt und natürlich unsere Welt – die „Böse“. Diese drei Welten und wie es zu ihnen kam, wird hier erklärt. 

Lee nickte. Das stimmte, darüber hatte sie bereits in ihrem Lehrbuch gelesen. Sie las aber trotzdem weiter – es interessierte sie Dinge aus anderen Perspektiven zu sehen. 

Animagi

Gerade als sie weiter lesen wollte, hörte sie plötzlich Schritte, die näher kamen. Erschrocken klappte sie das schwere Buch zu, danach sprang sie schnell auf und warf das Buch mehr oder weniger auf seinen Platz zurück. Es machte einen kurzen Rumms!, dann lag es wieder, als wäre nichts gewesen oben im Bücherregal. Schnell warf Lee sich wieder auf ihr Bett – wenn ihr Vater merkte, das sie in dem Buch gelesen hatte, würde es nicht nur ein gewaltiges Donnerwetter geben. Mit mindestens einem Monat Hausarrest und Küchen-, sowie Putzdienst, müsste sich auch rechnen.

Die Sekunden verstrichen und Lee hielt aufgeregt den Atem an. Die Tür öffnete sich knarzend und ihr Vater erschien im Türrahmen. Zu Lees Verwunderung sah er kein bisschen sauer aus, nein, er schien eher müde und verzweifelt. Sein Blick huschte im Zimmer herum, bis er schließlich auf Lee fiel. „Sag mal, hast du vielleicht Hendry gesehen? Ich kann ihn nicht finden“. Erschöpft lehnte er sich gegen den Türrahmen. Er hatte schon die ganze Hütte abgesucht, ohne Erfolg. 

Lee schüttelte halb erleichtert, halb verzweifelt den Kopf, wobei ihre schulterlangen, dunkelblonden Haare durch die Luft flogen. „Hast du Angst jemand hat ihn... mitgenommen?“ Sie musterte ihren Vater nachdenklich. „Aber wer nimmt schon eine Ringelnatter mit? Außerdem wohnt hier doch wirklich keiner“. Der Vater seufzte. „Hendry ist nun mal keine gewöhnliche Ringelnatter – apropos, ist dir heute ein Animagus zugelaufen?“ Er blickte sie neugierig an und fuhr sich durch seine rabenschwarzen Haare. Bedrückt schüttelte Lee leicht den Kopf, und nagte an ihrer Unterlippe. Animagen sind magische Tiere, die Magiern zulaufen. Sie können sich mit ihrem Magier unterhalten, von Kopf zu Kopf. Je nach dem wie stark die Kraft des Magiers ist, verwandelt sich auch der Animagus. Das heißt, ein Hund kann sich in einen Wolf verwandeln und umgekehrt, ein Hausschwein in ein Wildschwein, ein Spatz in einen Adler, und so weiter.

Früher, als der Vater selbst noch jung war, und seine Kräfte blühten, fand eine mächtige Python den Weg zu ihm. Er hatte sie Hendry getauft. Doch nach so vielen Jahren hatte der ehemalige mächtige Schwarzmagier einen großen Teil seiner Zauberkunst verloren. Sein Animagus war nur noch eine kleine Ringelnatter – die sehr gerne ausbüxte und die Gegend erkundete. Auch wenn Wells Town ein recht trostloses Dorf geworden war.

In Sorge

Animagen sind extrem selten. Jedoch besitzt jeder Magier einen Animagus, spätestens ab dem 14. Lebensjahr. An dem bedeutungsvollen Tag findet ein Animagus auf wundersame Weise zu seinem neuen Besitzer. Nun ja, Lee wurde in zwei Tagen 14 und hatte noch immer keinen magischen Begleiter an ihrer Seite. Kein Animagus bedeutete, dass man kein richtiger Magier war. Dann wurde man in die Zwischenwelt verbannt, ins Nichts. 

Lee seufzte und musste mit ansehen, wie ihr Vater sie enttäuscht anschaute. Er wortlos wieder und schloss die Tür hinter sich. Lee starrte traurig auf den Boden. Die Lust weiter ihn dem geheimnisvollem Buch zu lesen war ihr gründlich vergangen. Sie legte sich rückwärts auf ihr Bett und schlief kurze Zeit später ein.

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Eure Kommentare

Wow,Wow,Wow!!Wie gut ist diese Geschichte bitte geschrieben?Du MUSST weiter schreiben,ich denke dabei werden mir viele zustimmen

Ich finde, dass diese Geschichte wirklich gut ist. Bitte mach weiter und ich freue mich schon auf den nächsten Teil.👍👍👍👍

LG Slayer

Das ist wirklich toll. Freue mich schon auf den nächsten Teil. 👍👍

Super!

👍

Echt toll!

Danke! 💕

Und ja, mache ich 😂

Wow, echt super! Du MUSST weiterschreiben!

Cool