Deine Meinung
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Welche Probleme haben Kinder und Jugendlichen, die zu Ihnen in die Beratungsstelle kommen?
Claudius Boy: In erster Linie kommen nicht Kinder und Jugendliche zu uns, sondern die Eltern. Die Eltern beschreiben Probleme ihrer Kinder, wie Schulprobleme, schlechte Noten oder wenn Sportvereine nicht besucht werden. Manchmal bringen die Eltern die Kinder mit. Meistens haben sie aber nicht so große Lust in eine Beratungsstelle zu gehen. Denn ihnen macht das Computerspielen und Chatten ja Spaß und oftmals sehen sie das nicht als Problem.
Wie alt war denn das jüngste Kind, das in die Beratungsstelle kam?
Claudius Boy: Das jüngste Kind war noch keine 10 Jahre alt. Die Mutter kam mit ihrem Kind, aber wir waren schnell der Meinung: Hier hat nicht das Kind ein Problem, sondern die Eltern. Nicht das Kind muss etwas verändern, sondern die Eltern. Deshalb stehen oft die Eltern im Fokus des Beratungsgesprächs.
Was raten Sie den Eltern dann?
Claudius Boy: Wir raten ihnen klare Regeln zuhause zu machen, die transparent sind und mit dem Kind abgesprochen sind. Sie sollten für Alternativen sorgen. Also, was kann man statt des Computerspielens, Surfens oder Chattens machen. Wir raten ihnen, dass sie gemeinsam Dinge unternehmen. Und die Eltern müssen ein Vorbild sein für die Kinder. Wenn Mama immer am Handy hängt, dann ist ein Handyverbot für das Kind nicht nachvollziebar.
Ab wieviel Stunden am Tag gilt man als süchtig?
Claudius Boy: Wir sagen keine konkrete Stundenzahl. Es hängt immer vom Alter ab und wichtig ist auch zu schauen, was die Kinder mit den Medien machen. Einige Fragen sind wichtig: Sind die Schulnoten noch okay? Gibt es einen Besuch im Sportverein? Gibt es Freundinnen und Freunde im realen Leben? Gibt es ausreichend Bewegung an der frischen Luft? Spielt das Kind ein Instrument?
Dann schauen wir, was konsumiert wird: Ist das Handy immer parat oder gibt es da das eine Computerspiel, das immer gespielt wird? Außerdem gibt es einen Unterschied, ob jemand 13 oder 17 Jahre alt ist. Wir schauen also immer, was funktioniert noch bei den Kindern oder Jugendlichen – und nicht, was nicht funktioniert.
Gibt es eine Computerspielsucht?
Claudius Boy: Ja, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Computerspielsucht als Krankheit mitaufgenommen. Zu uns kommen auch Menschen, die sich als suchtkrank beschreiben. Die sind in der Regel zwischen 25 und 30 Jahre alt und sie kommen in unsere Beratungsstelle, weil sie ihr Verhalten ändern möchten. Wir unterstützen sie in Einzel- und Gruppengesprächen. Wir schauen, welche Gründe zu der Sucht geführt haben und versuchen gemeinsam einen Weg aus der Sucht herauszufinden.
Tiktok, Insta und Co. – können soziale Medien auch süchtig machen?
Claudius Boy: Ja, auf jeden Fall. Bis jetzt war es so, dass Computerspiele immer im Fokus standen. Es gibt Menschen, die ständig zocken, bis zu 10 Stunden am Tag und das über viele Jahre hinweg. In der Zeit haben sie alle anderen Sachen vernachlässigt, wie ihre Körperhygiene und sie haben sich stark von anderen isoliert.
Jetzt erleben wir das auch bei TikTok und Co., dass Menschen darüber die Kontrolle verlieren. Sie finden den Konsum wichtiger, als zur Schule zu gehen oder einen guten Kontakt zu ihren Eltern zu haben.
Welche erste Anzeichen einer Internetsucht gibt es?
Claudius Boy: Einmal die meckernden Eltern oder die Freunde, die sagen: “Mensch du verbringst ganz schön viel Zeit im Internet”. Dann sind es oft schlechte Schulnoten. Und wenn man merkt, dass man das nicht unter Kontrolle bekommt – sind das erste Anzeichen. Sinnvoll ist es dann, mit jemandem darüber zu sprechen. Das muss nicht gleich eine Beratungsstelle sein, das können auch Familie und Bekannte sein. Mit ihnen kann man dann überlegen, wie man sein Verhalten ändern kann.
Vielen Dank für das Interview!
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