Natur und Mensch

Was macht ei­ne Rich­te­rin?

Wie wird man Richterin?

Renate: Du brauchst ein Abitur und dann studiert man Jura. Man macht dann das erste Staatsexamen. Damit ist man aber lange noch nicht fertig, denn dann kommt das sogenannte Referendariat – das dauert 2 Jahre. In diesen zwei Jahren gibt es eine Mischung aus Praxis und Theorie und man ist verschiedenen Stationen zugeordnet. Das heißt, man ist mal bei der Staatsanwaltschaft, eine Zeit beim Landgericht, am Verwaltungsgericht, in einer Behörde oder beim Rechtsanwalt.

Auch das zweite Staatsexamen ist kein Spaziergang. Man muss sehr fleißig sein und hat viele Themen parallel vorzubereiten. Im Studium kann man schon Schwerpunkte wählen, in denen man sich vertiefen möchte. Nach dem zweiten Staatsexamen ist man dann Volljurist. Damit stehen einem alle klassischen juristischen Berufe offen: Richterin, Staatsanwältin, Anwältin … Juristen werden eigentlich überall gebraucht. Wenn man dann Richter werden möchte, zählt leider zunächst nur die Note, die du in den Staatsexamen bekommen hast. Bevor ich mich als Richterin beworben habe, hatte ich bereits drei Jahre Berufserfahrung als Justiziarin. 

In welchem Bereich arbeitest du?

Renate: Ich arbeite im Bereich Sozialrecht. Im Studium konnte ich mir noch gar nicht vorstellen dort zu arbeiten, aber jetzt finde ich es total interessant. Dieser Bereich begegnet jedem im Leben. Deshalb ist das Thema auch nicht trocken oder abstrakt. Sozialgericht – Was machen wir? Wir beschäftigen uns vor allem mit der kompletten Sozialversicherung, wenn man zum Beispiel mit seiner Krankenkasse Ärger hat. Dann der gesamte Bereich der anderen Versicherungen.

Was musst du alles machen, bevor du das Urteil sprichst?

Renate: Eine Klage geht bei uns ein und wird erstmal erfasst. Dann müssen wir den Sachverhalt ermitteln, also wie das Ganze abgelaufen ist. Ich muss Zeugen vernehmen, Urkunden auswerten und ganz viele medizinische Unterlagen anfordern. Mit Medizin hat das Sozialrecht nämlich sehr viel zu tun. Wenn Zeugen vor Gericht geladen werden, schreibe ich mir vorher schon auf, was ich sie fragen werde.

Oft weiß ich schon vor der Verhandlung, welches Urteil ich wahrscheinlich fällen würde. Ich muss vorher alle Akten und Gutachten durchsehen und bilde mir eine Meinung. Aber in den Verhandlungen ergibt sich auch immer wieder mal etwas ganz Neues und es geht ganz anders aus als ich vorher gedacht habe. Als Richterin entscheide ich aber nicht alleine. Es gibt immer noch zwei ehrenamtliche Richter. 

Was gefällt dir an deinem Beruf am besten?

Renate: Die Unabhängigkeit. Dir darf keiner reinreden und in deine Entscheidung eingreifen. Du bist dein eigener Chef und dir kann keiner sagen, wann du was wie machen musst. Ich kann auch zuhause arbeiten und zum Beispiel selbst entscheiden, welche Fälle ich wann bearbeiten möchte. Mir macht außerdem das Verhandeln Spaß. Wenn man so viel Erfahrung hat wie ich und seinen Job gut macht, genießt man irgendwann bei den Behörden und Rechtsanwälten ein gewisses Vertrauen. Ich kann also oft sehr offen sprechen und erreichen, dass alle zufrieden auseinander gehen oder dass eine Seite einsieht, dass sie auf dem Holzweg ist. Es gibt natürlich auch immer mal Fälle, wo Menschen wirklich großes Unrecht geschehen ist. Wenn ich das dann wieder in Ordnung bringen, macht mich das schon zufrieden und glücklich.

Was war dein schwierigster Fall?

Renate: Eine ganz junge Frau aus Osteuropa ist illegal nach Deutschland gekommen und hat dann einen ziemlich alten Mann geheiratet. Dieser ist dann nach acht Monaten gestorben. Sie wollte daraufhin eine Witwenrente haben. Diese kann man verweigern, wenn die Frau den Mann nur geheiratet hat, um finanziell versorgt zu sein. Das ist ein sehr heikles Thema. Ich weiß noch, dass ich von 9 Uhr bis 18 Uhr Zeugen befragt habe. Ich habe mit den ehrenamtlichen Richtern sehr lange diskutiert, aber am Ende sprachen sprachen wir der Frau die Witwenrente zu. Aber beim Ausarbeiten des Urteils bekam ich das Gefühl, dass wir falsch gelegen haben. Die Rentenversicherung ist aber noch in Berufung gegangen und die Klage wurde am Ende doch noch abgewiesen. Da war ich erleichtert.

Was würdest du sagen, welche Voraussetzungen braucht man, um Richterin oder Richter zu werden?

Renate: Man muss gut formulieren und logisch denken können. Außerdem sollte man offen für alle Lebenssituationen sein in die Menschen geraten können. Es ist ganz wichtig, dass man die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nimmt und jedem dieselbe Offenheit und Toleranz entgegenbringt. Dann muss man sehr fleißig sein, schon im Studium und dem Referendariat. Ich denke, man muss auch Gefallen am Lesen, Diskutieren und Abwägen haben. Denn man arbeitet sich stundenlang durch die Akten, liest die verschiedenen Standpunkte und hört sich die Menschen im Gerichtssaal an.

Vielen Dank für das Interview!

Beruf: Richterin/ Richter

Voraussetzung: sehr gutes Abitur

Studium: Jura

Schulische Interessen:  Deutsch

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