Wie fühlt es sich an, kein Geschlecht zu haben?
Was heißt es für dich, nicht-binär und trans* zu sein?
Sose: Für mich bedeutet das ganz vieles auf einmal. Vor allem aber, dass ich anderen Menschen damit zeigen kann, wer ich bin. Und dass ich mich in meinem Körper immer mehr wohlfühlen darf. Ich finde, jeder Mensch darf das für sich selbst wissen und entscheiden. Dass ich das laut ausspreche, ist für mich auch etwas Politisches. Denn es gibt viele Menschen, die das nicht können. Ich möchte, dass alle Menschen verstehen, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt. Damit keine Person mehr Angst davor haben muss, sie selbst zu sein.
Wie wirst du angesprochen? Was sind deine Pronomen?
Sose: Ich benutze gar keine Pronomen. Das heißt, wenn jemand über mich spricht, dann finde ich es am besten, wenn nur mein Vorname verwendet wird. Sose ist ein Name, den ich selbstgewählt und eintragen lassen habe. Meinen alten Namen höre ich nicht so gerne. Nicht, weil ich ihn nicht mehr schön finde. Sondern weil er für mich etwas mit einer Person zu tun hat, die ich nicht bin. Viele Menschen haben sehr lange ein falsches Geschlecht damit verknüpft.
Was wünschst du dir von anderen Menschen, wenn sie dich kennenlernen?
Sose: Mir ist es total wichtig, dass Menschen mich genauso behandeln wie alle anderen auch. Dazu gehört, dass sie meinen richtigen Vornamen benutzen und mich richtig ansprechen. Ich glaube, jeder Mensch würde sich komisch damit fühlen, wenn er ein anderes Geschlecht bekommt, als er ist. Ich sag’ doch auch nicht zu einem Jungen, dass er ein Mädchen ist. Oder benutze einen Namen, der mir am besten gefällt, aber nicht dem Jungen, den ich anspreche.
Viele Menschen verstehen das aber nicht. Sie sagen, dass sie das nicht nachempfinden können, kein Geschlecht zu haben. Ich wünsche mir, dass Menschen das einfach akzeptieren. Weil es dabei nicht um sie, sondern um mich oder andere nicht-binäre Menschen geht. Zum Glück gibt es aber auch viele, die mir zuhören.
Wann und wie hast du gemerkt, dass du nicht-binär bist?
Sose: Bei mir Zuhause gab es keine klassischen Geschlechterrollen. Ich durfte immer anziehen, was ich wollte. Und auch cool finden, was für mich cool war. Ich weiß aber, dass ich es immer ziemlich komisch fand, wenn jemand zu mir "Mädchen" gesagt hat. Und ich konnte nicht genau erklären, warum. Ich hab mich damit überhaupt nicht wohlgefühlt. Am besten hat es mir dann gefallen, mich in andere Charaktere reinzuträumen. Die alles machen durften, was sie wollten. Ich glaube, damals habe ich schon gemerkt, dass ich nicht-binär bin. Das zu beschrieben hat ziemlich lange gedauert, weil ich irgendwann Angst davor hatte.
Gab es für dich Schwierigkeiten beim älter werden?
Sose: Mein Geschlecht war mir meistens egal, bis sich mein Körper in der Pubertät verändert hat. Weil ich einfach kein Geschlecht für mich gefühlt habe. Ich habe mich immer sehr neutral wahrgenommen. Und als ich festgestellt habe, dass mein Körper nicht für immer so bleibt, war das richtig schlimm. Ich war richtig gemein zu meinem Körper und wie ich über ihn gedacht habe. Ich habe mir lange eingeredet, ich muss mich nur daran gewöhnen. Weil sich ja alle Kinder irgendwann verändern. Ich habe versucht so zu sein, wie alle anderen Teenager, die ich kannte. Weil ich das Gefühl hatte, niemand versteht mich, wenn ich sage, wie ich mich wirklich fühle. Ich dachte immer, die anderen finden mich dann genauso eklig wie ich mich selbst. Dann habe ich einfach aufgehört zu essen, weil es meinen Körper anders aussehen lassen hat.
Mittlerweile weiß ich, dass das nicht die Lösung ist. Und dass ich mich nicht mit anderen Geschlechtern vergleichen muss, weil ich so bin, wie ich bin.
Was würdest du dir für Kinder wünschen, denen es ähnlich geht?
Sose: Ich würde mir wünschen, dass alle nicht-binären und trans* Kinder Worte für sich finden. Ich habe bis ich Anfang 20 nicht mal gewusst, was nicht-binär oder trans* heißt. Deswegen finde ich es so wichtig, dass alle Kinder darüber aufgeklärt werden, egal ob trans* oder nicht. Damit das irgendwann alle verstehen.
Und vor allem wünsche ich mir, dass sich trans* Kinder nicht verstecken müssen. Es ist schon schwer genug, seinen Körper nicht zu verstehen. Deswegen sollte es immer genügend Menschen geben, die sie dabei unterstützen, der Mensch zu sein, der sie sind.