Natur und Mensch

Ich bin we­der ei­ne Frau, noch ein Mann

Du bezeichnest dich selbst als „nicht-binär“. Was bedeutet das?

Charlie: Das „Bi“ in binär bedeutet zwei und bezieht sich in diesem Fall auf die zwei Geschlechter männlich und weiblich. Es gibt aber auch Menschen, die sich nicht wie ein Mädchen oder Junge fühlen, also nicht in eine dieser zwei Schubladen passen. Diese heißen dann eben „nicht-binär“ oder auf Englisch „non-binary“.

Wann hast du gemerkt, dass du weder eine Frau, noch ein Mann bist?

Charlie: Ich war etwa 15 Jahre alt, als ich überlegt habe, ob ich vielleicht doch kein Mädchen sein könnte. Typisch mädchenhafte Sachen habe ich zu dem Zeitpunkt sowieso nicht gemacht, aber wie ein Junge habe ich mich auch nicht gefühlt. Irgendwas war einfach komisch und ich konnte lange nicht sagen, was genau. Wenn mich jemand als „Mädchen“ bezeichnet hat, hat sich z.B. etwas in mir gemeldet und gesagt: „Nee, nee, das stimmt aber so nicht ganz...“. Erst ein paar Monate später habe ich für mich herausgefunden, dass ich eben „nicht-binär“ bin. Diesen Begriff für mich zu finden war sehr befreiend – endlich war die Verwirrung aus dem Weg geschafft!

Du hast deinen Namen geändert. Welche Hürden gab es da?

Charlie: Meinen Namen habe ich offiziell noch nicht geändert, das ist in Deutschland nämlich leider noch sehr aufwendig und geht nicht so leicht. Dafür braucht man nämlich mehrere Gerichtsverfahren und so kompliziertes Zeug. Trotzdem nennen mich die meisten Leute in meinem Umfeld zum Glück Charlie und benutzen diesen Namen, wann immer es geht. Blöderweise gibt es auch da Regeln: Auf Zeugnissen zum Beispiel muss mein offizieller Name stehen und auf meinem Personalausweis/Pass auch. Immerhin habe ich einen sogenannten „Ergänzungsausweis“, auf dem Charlie steht und dass ich nicht-binär bin. Den kann ich zusammen mit meinem Perso vorzeigen, sodass Leute wissen, dass ich mit Charlie angesprochen werde.

Wie kleidest du dich?

Charlie: Grundsätzlich ziehe ich mich recht neutral an, in der Regel einfach T-Shirt und Jeans. Da ich kurze Haare habe, wirkt es auf viele Menschen wahrscheinlich eher männlich. Damit habe ich jedoch kein wirkliches Problem. Eigentlich fände ich es auch schön, ab und zu etwas weiblicher zu wirken und ein Kleid anzuziehen, allerdings befürchte ich, dass Menschen mich dann sofort als Mädchen abstempeln, weshalb ich da noch ein bisschen unsicher bin. Aber eigentlich möchte ich nicht, dass ich mich durch die Meinung anderer Menschen so beeinflussen lasse.

Auf welche Toilette gehst du?

Charlie: Jaja, Toiletten, ein unschönes Thema für nicht-binäre Menschen. Deshalb freue ich mich immer total, wenn es irgendwo All-Gender-Toiletten gibt. Das sind Toiletten für Menschen jeglichen Geschlechts. Manchmal heißen die auch Unisex-Toiletten. Wenn das nicht der Fall ist, gehe ich auf die Damen-Toilette, da ich mich dort wohler fühle – aber auch, weil ich bei den Herren wohl doch komisch angeguckt werden würde...

Du setzt dich dafür ein, dass im Schulsport anders bewertet wird. Warum findest du das wichtig?  

Charlie: Die Bewertung im Schulsport hat für trans*-Menschen so ihre Tücken. Ein Transjunge z.B. hat ja biologisch gesehen einen weiblichen Körper, allerdings wäre es gemein, ihn deshalb wie ein Mädchen zu bewerten. Und für Leute wie mich gibt es überhaupt keine Lösung! Deshalb würde ich es besser finden, wenn im Sportunterricht weniger nach Leistung bewertet wird, sondern stattdessen nach Teamgeist oder danach, wie sehr eine Person die erbrachte Leistung verbessern konnte. Das ist ja eigentlich auch viel wichtiger!

Wie kann man Pronomen wie „er“ und „sie“ vermeiden? Was gibt es für geschlechtslose Wörter?

Charlie: Im Deutschen gibt es leider, anders als im Englischen beispielsweise, kein richtiges geschlechtsneutrales Personalpronomen. „Es“ ist ja auch nicht schön, sondern wirkt eher abwertend. Deshalb gibt es sogenannte „Kunstpronomen“, die sich Menschen ausgedacht haben, um „er“ und „sie“ zu ersetzen. „Xier“ wäre ein Beispiel dafür. Manche Leute möchten auch, dass gar kein Pronomen benutzt wird. Das ist beides ganz schön ungewohnt und erstmal schwierig, aber sollte auch respektiert werden.

Aber wie macht man das denn, wenn eine Person z.B. erzählt, welchen Beruf sie später machen möchte? „Lehrer“ würde ja eigentlich nur Männer bezeichnen, „Arzt“ auch. Für ersteres könnte man einfach das Wort Lehrkraft benutzen. Beim zweiten wird es ein bisschen komplizierter. Hier kann man das Sternchen * (manchmal auch den Unterstrich _ ) verwenden, es wäre dann also Ärzt*in bzw. Lehrer*in. Wenn man das sagt, macht man für das Sternchen einfach eine kleine Pause. Im Internet gibt es auch eine Website, die dabei hilft, geschlechtsneutrale Begriffe zu finden.

Worüber ärgerst du dich?

Charlie: Was mich auf jeden Fall stört, ist, dass es für mich nicht die Möglichkeit gibt, offiziell nicht-binär zu sein und Charlie zu heißen. Aber auch kleinere Dinge können ganz schön doof sein: Der alte Name auf dem Zeugnis eben oder die Klo-Frage. Wenn jemand mich ausdrücklich als Mädchen bezeichnet. Oder wenn man gleich nachfragt, ob Charlie der Spitzname für Charlotte ist, auch wenn wir uns gar nicht richtig kennen. Lieber mag ich es, wenn jemand sich erkundigt, wie ich gerne angesprochen werden möchte und welche Pronomen ich benutze.

Danke für das Interview! 

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Eure Kommentare

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Ich kann vieles nachvollziehen was Charlie dort angibt . Trotzdem muss ich sagen, das sich die Frage nach der Toilette oder nach der Anrede nicht stellt. Man hat den Körper den man hat, uns damit verbindet sich eben die Anrede und viele andere Dinge. An dieser Stelle sollte man das Dasein doch pragmatisch gestalten. Wie ich mich als „ nicht binär“ fühle oder nicht, sollte man nicht immer in den Vordergrund stellen. Wir sind was wir sind und fühlen was wir fühlen. Es gibt Dinge die kann man nicht ändern. Und ich finde es schwierig, das ständig vor sich her zu tragen und vom Gegenüber zu erwarten das er sich darauf einlässt um dem eigenen Gefühl zu entsprechen. Wichtig ist was man selber weiß. 

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Ich bin gerade am Anfang der Pubertät und merke das ich langsam zu einem Mädchen „mutiere“ und das macht mir Angst. Ich glaube ich bin auch nicht Binär und ziehe mich deshalb auch immer mehr zurück. In der Schule werde ich zwar mit meinem Mädchennamen benannt aber man hält mich eher für einen Jungen.

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Hi, ich habe das Gefühl non binary zu sein. Ich habe unglaubliche angst davor das meiner Mutter zu sagen, weil ich dies schön öfters versuchte aber  kläglich scheiterte. Sie findet es lächerlich... Dies bezüglich fühle ich mich unwohl. Ich mag es nicht als Frau bezeichnet zu werden aver als Mann ebenso. Ich fühle mich immer so fehl am Platz wenn nich jemand SIE nennt. Ich weiss nicht mehr weiter...

Hallo! Deine Sorgen und Ängste sind völlig berechtigt. Sich vor der Familie beziehungsweise öffentlich zu zeigen und zu dem zu stehen, was du eigentlich sein möchtest, stellen wir uns unglaublich schwierig vor. Das ist ein ganz großer Schritt und viele Menschen, die sich so fühlen wie du es beschreibst, brauchen ihre Zeit, um sich anderen Personen damit anzuvertrauen. Gib auch dir Zeit! Vielleicht hast du andere Personen in deiner Nähe - Freunde - mit denen du zuallererst reden kannst. Die dich ermutigen und dir den Rücken stärken. Vielleicht könnt ihr auch zusammen zu deiner Mutter gehen und ein ruhiges Gespräch suchen. Oder versuche deiner Mutter einen Brief zu schreiben, wie du fühlst und was dich bedrückt. Dass du dich mit dem, was du biologisch bist, fehl am Platz fühlst und einfach nur verstanden werden möchtest. Versuche auch ihr Zeit zu geben, damit auch sie überhaupt erstmal einen Zugang zu diesem Thema bekommt. Vielleicht kennt sie diese Art von sexueller Orientierung noch nicht und kann sich nicht in dich reinversetzen. Aber am wichtigsten ist, dass du zu dem stehst, was du bist und fühlst - egal wie lange es dauert das anderen Personen zu sagen. Wir wünschen dir viel Glück! Viele Grüße, dein ks-Team.

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👍👍👍👍👍

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warum sollte man hier eine Kommentar schreiben, ihr sortiert doch sowieso aus..........euch interessieren doch keine anderen Meinungen......

Hallo! Wir lassen grundsätzlich jede Meinung unter unseren Beiträgen zu. Es werde nur solche Kommentare gelöscht, die eindeutig beleidigend sind. Zudem werden auch Kommentare von Erwachsenen gelöscht, da wir eine Kinderwebsite sind, auf der sich Kinder vollkommen unter sich fühlen sollen. Viele Grüße, dein ks-Team.

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Ich bin auch divers

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Ich bin Maya und auch "nicht-binär"

Ich hab noch keinen Namen für mich gefunden :( Aber du bist sehr mutig Charlie! Noch viel erfokg wünsch Maya

Also,ich finde das jeder sich so sehen sollte wie er ist.Das Leben ist ja kein Wunschkonzert.Aber jeder hat eine andere Meinung und ich würde niemals jemanden deswegen mobben oder ärgern(bin sogar mit jemandem befreundet).