Natur und Mensch

Be­hin­de­rung - Das ist et­was ganz Nor­ma­les

Wie erklärt man Kindern am besten das Thema Behinderung?

Luisa: Behinderung ist ein Merkmal, wie jedes andere. Manche Menschen sind beispielsweise groß und manche Menschen sind klein. Genauso gibt es auch Menschen, die eine Behinderung haben und andere nicht. Das ist etwas ganz Normales.  

Was können wir tun, damit Menschen mit Behinderung in Deutschland gleichberechtigt sind?

Luisa: Behinderte Menschen werden täglich diskriminiert. Das bedeutet, dass sie aufgrund ihrer Behinderung ungleich behandelt werden. Sie bekommen nicht die gleichen Chancen wie Menschen ohne Behinderung. Behinderte Menschen müssen die gleichen Chancen bekommen und überall teilhaben dürfen. Das heißt, dass Barrieren abgebaut werden müssen. Es gibt ganz viele Barrieren, je nachdem welche Behinderung man hat. Manche Barrieren, wie zum Beispiel Treppen, sind sichtbar. Andere Barrieren hingegen sind für nicht-behinderte Menschen nicht sichtbar.  

Was schränkt die Teilhabechancen von Kindern mit Behinderung deiner Meinung nach am meisten ein?

Luisa: Es wird Menschen mit Behinderung von vorneherein vermittelt, dass sie weniger wert sind, dass sie weniger können und dass ständig Rücksicht auf sie genommen werden muss. Behinderte Kinder müssen an allen Angeboten und an allen Einrichtungen teilhaben dürfen, genauso wie jedes andere Kind auch.

Behinderte und deren Eltern werden oftmals gar nicht gefragt, welchen Weg sie einschlagen wollen. Viele behinderte Kinder werden in Förderschulen, in sogenannte Sonderwelten, geschickt. Dort haben sie meistens gar keine Chance auf einen Schulabschluss. Wir haben alle gelernt, wie wir mit behinderten Menschen umgehen. Dieser Umgang ist sehr diskriminierend und muss verlernt werden. Das nennt man “Ableismus”.  

Was muss getan werden, damit sich die Bedingungen für Menschen mit Behinderung verbessern?

Luisa: Alle Menschen müssen lernen, dass behinderte Menschen ein Teil der Gesellschaft sind. Wir sind eine Gruppe, die wegen ihrer Behinderung unterdrückt und benachteiligt wird. Wir sind nicht klein, sondern wir werden unsichtbar gemacht. 

Wir brauchen klare Gesetze, die Teilhabe von behinderten Menschen fördern und sichern. Wir brauchen einen Abbau dieser Sonderwelten. Dazu zählen zum Beispiel Sonderschulen, Behindertenwerkstätten oder Heime. Ich bin mir sicher, dass es für viele Menschen, die so eine Einrichtung besuchen, eine andere Lösung gibt. Barrierefreiheit muss verpflichtend umgesetzt werden. Die Politik muss Einrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, mit Geld unterstützen, damit sie ausreichend verbessert werden können.

Was denkst du, warum der Umgang mit dem Thema Behinderung immer noch ein Tabuthema ist?

Luisa: Wir wachsen mit dem Gedanken auf, dass Behinderung etwas sehr Negatives ist und dass das Leben mit einer Behinderung weniger wertvoll ist. Nicht-behinderte Menschen entwickeln Geschichten über behinderte Menschen. Dabei verfestigen sie Vorurteile über das Leben mit Behinderung, ohne zu wissen, wie sich das wirklich anfühlt. Sie erzählen diese Geschichten so, wie sie sich ein Leben mit Behinderung vorstellen. Das passiert in Filmen, in Serien und im Internet.

Gleichzeitig wird das Wort “behindert” als Schimpfwort verwendet. Außerdem wird dieses scheinbar negative Wort “behindert” durch andere Begriffe ersetzt, um es zu beschönigen. Das sind zum Beispiel Wörter wie Beeinträchtigung oder Handicap. Durch viel Aufklärung können wir das Tabu durchbrechen.

Wenn du politisch entscheiden könntest, was würdest du zuerst ändern in Deutschland?

Luisa: Die Umsetzung von der UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 vereinbart worden ist. Das heißt, dass Deutschland sich dazu bereit erklärt, die Dinge des Vertrages umzusetzen. Bis heute ist kaum etwas passiert. Wird sie umgesetzt, können wir Gesetze bekommen, die uns die Teilhabe ermöglichen. Die neuen Gesetze können uns auch schützen und helfen, gegen tägliche Diskriminierung vorgehen zu können.  

Auf welche Barrieren im öffentlichen Raum triffst du (immer wieder)?

Luisa: Ich finde es wichtig zu unterscheiden, was es für Barrieren gibt. Nicht-sichtbare Barrieren sind beispielsweise, dass die Krankenkasse mir nicht die Hilfsmittel zur Verfügung stellt, die ich brauche, um meine Teilhabe an zum Beispiel Schulen, Kassen, staatlichen Einrichtungen durchzusetzen. Tatsächlich sichtbare Barrieren, auf die ich als Rollstuhlfahrerin täglich stoße sind Stufen, Treppen, zu schmale oder zu steile Rampen, fehlende Behindertentoiletten, zu enge Gänge, schwere Türen, die man vom Rollstuhl aus nicht so einfach aufschieben kann. Autistinnen und Autisten zum Beispiel stoßen auf ganz andere Barrieren als blinde Menschen oder als ich.  

Was geht dir am meisten auf die Nerven?

Luisa: Sehr häufig kommt im Alltag ein Kommentar wie “Oh Gott, was haben Sie denn gemacht?” oder ein “Was ist denn mit Ihnen los?”. Das zeigt, dass behinderte Menschen nicht-behinderten Menschen eine Auskunft schuldig sind, um ihre Behinderung zu erklären. Und dass Behinderungen immer etwas mit Krankheit zu tun haben müssen. Ansonsten erlebe ich, dass Eltern ihren Kindern sagen: “Guck da nicht so hin.” oder das Kind wegziehen. Es sind Fragen und Handlungen, die zeigen, dass nur meine Behinderung gesehen wird. Meistens ist dieses Verhalten gar nicht böse gemeint. Jedoch geht es bei Ableismus nicht darum, ob die Absicht des Gegenübers gut oder schlecht ist, sondern was bei der betroffenen Person ankommt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Was bedeutet das eigentlich?

Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch, egal welche Merkmale (zum Beispiel Behinderung, Herkunft, Sprache) er hat, gleichbehandelt wird und überall miteinbezogen wird. Menschen, die sich besonders gegen die Diskriminierung von solchen Menschen einsetzen, sind Inklusionsaktivistinnen und -aktivisten.

Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben.

Ableismus ist der Fachbegriff für die Diskriminierung von Menschen, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung eingeschränkt sind.

„Barrierefrei“ bedeutet, dass jeder Mensch seinen Lebensraum ohne Einschränkungen betreten, befahren und selbständig benutzen kann.

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Eure Kommentare

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Hallo das ist toll
Tolles Interview! Man merkt wirklich, dass Luisa das selber erlebt hat. Mich stört das immer, wenn Leute "besondere Bedürfnisse" sagen. Was ist denn daran besonders, wenn jemand Freunde haben, in die Schule gehen, Bus fahren oder aufs Klo gehen will? Für die anderen ist das alles meistens Routine und wenn jemand im Rollstuhl sitzt, nennen sie die gleichen Dinge "besonders".
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 Man soll andere Menschen mit körperlichen Behinderung auch des Lebens was man hat teilnehmen 
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Körperlich behinderte gehen auch in fast allen Bundesländern in normale Schulen. Und wenn man z. B. In eine Blindenschule geht kann man da auch normale Abschlüsse machen 
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ich möchte ein mädchen sein bin aber ein junge meine eltern habne was dagengen und ich weiss nicht was ich machen soll  

Hallo! Wir raten dir, dich jemandem anzuvertrauen. Eine erwachsene Vertrauensperson kann hier eine gute Unterstützung sein. Gemeinsam könnt ihr mit deinen Eltern ins Gespräch gehen. Eine andere Variante wäre, dass du einen Termin beim Arzt oder der Ärztin machst und dort gemeinsam mit deinen Eltern hingehst. Wenn das alles zu schwierig ist für dich, rufe die Nummer gegen Kummer an, dort wirst du kostenlos beraten: 116111. Viele Grüße, dein ks-Team

Das ist ein voll guter Text! Ich habe mal eine Liste gesehen, da hat ein Mädchen im Rollstuhl Fotos gezeigt, wo sie im Alltag Probleme hat. Zum Beispiel beim Einsteigen in den Zug. Wenn eine Türe zu schmal für ihren Rollstuhl ist. Wenn der Spielplatz ihrer Schule nur Kieselsteinboden hat und sie dort nicht fahren kann. Ich habe fast geweint als ich das gesehen habe. Ich wünschte, alle Orte auf der Welt wären behindertenfreundlich. Niemand kann was für seine Behinderung. Behinderte Kinder wollen genauso wie alle spielen, duschen, in die Schule gehen, lernen, ins Kino gehen, mit der Familie in Urlaub fahren.
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Hallo   ich habe eine körperbehinderung. Ich finde an bestimmten Stellen sehr respektlos. Ich finde das nicht gut. Ich hoffe dies wird veröffentlicht  lg

Hallo! Was genau findest du respektlos? Das ist ein Interview mit Luise L'Audace, sie hat selbst eine Körperbehinderung und setzt sich für die Rechte der Menschen mit Behinderung ein. Sie hat zu vielen Themen eine Meinung, die bestimmt nicht jeder teilt. Aber es lohnt sich, darüber mal nachzudenken. Viele Grüße, dein ks-Team 

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ICh finde dieses Interview sehr interessant und hilfreich. Und um mir mal an meine eigene Nase zu greifen, früher habe ich auch das Schimpfwort behindert benuzt. Seit einigen Monaten, mache ich das aber nicht mehr, weil mir klar geworden ist, wie diskriminierend das ist. Ich schäme mich sehr dafür. Aber ich bin froh, das es mir überhaupt klar geworden ist. Und wenn man dieses interview liest,... es tut mir gerade enfach so leid, das ich es als Schimpfwort benuzt habe.😟