Deutsches Kinderhilfswerk

„Kin­der an die Mach­t“: Wenn Ki­ta-Kin­der das Sa­gen ha­ben

Mit dem Deutschen Kinder- und Jugendpreis (DKJP) werden jedes Jahr soziale, politische und kulturelle Projekte von engagierten Kindern und Jugendlichen ausgezeichnet. Dieses Jahr ist in der Preiskategorie „Politisches Engagement“ das Projekt „Kinder an die Macht “ nominiert, das im Kindergarten St. Franziskus in Benningen am Neckar (Baden-Württemberg) durchgeführt wurde.

Im Rahmen des Projekts haben die Kinder des Kindergartens ausprobiert, wie es wäre, wenn sie für einen Tag die Leitung des Kindergartens übernehmen würden - ganz ohne die Hilfe der Erzieherinnen und Erzieher. Wir von der kindersache-Redaktion haben Saskia, eine Erzieherin des Kindergartens St. Franziskus, zum Projekt interviewt. 

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, dass die Kinder für einen Tag den Kindergarten leiten sollen? 

Saskia: In unserem Team aus Erzieherinnen und Erziehern habe ich als Aufmerksamkeit Schokolade verteilt. Ein paar spitzfindige Kinder haben das mitbekommen und wollten wissen, warum die Erzieherinnen und Erzieher Schokolade zum 1. Dezember bekommen. „Weil sie so gewissenhaft dafür sorgen, dass ihr im Kindergarten nicht allein seid!"

Diese Antwort war ein gefundener Anstoß für die Kinder. Sie waren sich sofort einig, dass sie auch gut allein im Kindergarten sein könnten. 

Die Idee der Kinder wurde direkt aufgenommen und ihnen zugetraut. Wir haben auch einen Termin für die Kinderkonferenz am nächsten Tag vereinbart. Dies führte zu einer großen Vorfreude und Aufregung bei den Kindern und auch bei den Erwachsenen. 

Wie ist das Projekt abgelaufen und wie sind die Kinder mit der neuen Situation umgegangen? 

Saskia: In der Kinderkonferenz wurden erstmal Informationen ausgetauscht: welche Aufgaben auf die Kinder zukommen, welche Rollen verteilt werden müssen und welche Verantwortung sie tragen müssen.  

Zwei Kindergartenkinder malen zusammen

Wir Erzieherinnen und Erzieher waren noch nicht ganz die Treppe oben, um uns zurückzuziehen, da rief uns Rena nach: „Dürfen wir die Schaukel runterholen?“ „Das entscheidet ihr, wenn ihr an sie herankommt!“, war meine Antwort. Rena holte einen Stuhl, stieg hoch. Sie kam nicht dran. Helena hatte eine Idee: „Thore ist der Größte, vielleicht kommt er dran!“ Tatsächlich. 

Jonas hatte sich bereiterklärt, die Verantwortung für die Eingangstür des Kindergartens zu übernehmen. Wir hatten angekündigt, dass sicherlich Jonathan als nächstes mit seiner Mama klingeln würde. Jonas überprüfte die Tür. Dort stand Paul mit seiner Mama. Für Jonas war klar: es ist nicht Jonathan, also darf ich nicht aufmachen. 

Die Kinder konnten ihre Kräfte so gut einschätzen, dass sie ihr Projekt zur rechten Zeit beendet haben und um Unterstützung baten. Sie spürten die Anstrengung, die die Konzentration auf ihr Projekt sie kostete. 

„Wie war es denn für euch?“, fragte ich die Kinder in der nächsten Kinderkonferenz. „Puh, ganz schön stressig, ich musste so oft hoch und runter laufen!“, meinte ein Mädchen. Andere wollten noch ihre Beschwerden über Kinder loswerden, die sich nicht an die Regeln gehalten hatten. Im Großen und Ganzen waren die Kinder aber mit sich sehr zufrieden und zwei Drittel der Kindergruppe würde das Experiment gerne wiederholen.  

Was wolltet ihr mit dem Projekt erreichen und welchen Effekt hat es auf die Kinder? 

Saskia: Das Projekt hat eine große Bedeutung für die Kinder. Denn sie haben dadurch vieles erfahren, zum Beispiel: 

  • Kindergartenkind Close-Up

    dass sie ernstgenommen werden,  
  • dass wir Vertrauen zu ihnen haben,  
  • dass sie mutig sind,  
  • dass sie selbstständig viel schaffen können,  
  • dass sie durchhalten können,  
  • dass sie Konsequenzen für ihre Entscheidungen tragen können,  
  • dass sie Verantwortung tragen können,  
  • dass sie sich gut miteinander absprechen können,  
  • dass sie ihre Stärken einschätzen und einbringen können. 

Die Kinder kennen ihre Kinderrechte und setzen diese im Alltag im Kindergarten um. Dadurch lernen sie viel, um sich auch zukünftig für ihre Rechte stark zu machen.  

Warum würdet ihr gerne gewinnen und was würdet ihr mit dem Preisgeld machen? 

Saskia: Natürlich möchten wir gerne gewinnen! Denn durch den Gewinn könnten Erwachsene und Kinder erleben, wie wichtig es ist, dass man mit Kindern nicht nur über ihre Rechte spricht. Es ist auch wichtig, dass man dafür sorgt, dass sie ihre Rechte erleben können!

So haben unsere Kindergartenkinder auch in Zukunft den Mut, ihre Meinung zu sagen und für sich und andere einzustehen.

Von dem Preisgeld würden wir uns schöne Sachen für unseren Kindergarten kaufen. 

Welche besonderen Erkenntnisse haben die Kinder aus dem Projekt mitgenommen? 

Saskia: Besondere Erkenntnisse gab es viele:  

  • „Meine Ideen und Vorschläge, meine Meinung ist genauso wichtig wie die der Erwachsenen.“ 
  • „Ich werde gehört!“  
  • „Unsere Erzieherinnen und Erzieher vertrauen uns und wir vertrauen ihnen!“  
  • „Verantwortung tragen ist ganz schön anstrengend.“ 

Es gab schon viele unterschiedliche Projekte in unserer Einrichtung. Wir haben zum Beispiel auch ein Baumhaus in unserem Kindergarten, weil die Kinder der Meinung waren, dass wir mit einem Baumhaus der beste und coolste Kindergarten Deutschlands sind. Solange die Ideen und Wünsche der Kinder realisierbar sind, werden wir immer miteinander verhandeln und gemeinsam Möglichkeiten suchen, um sie umzusetzen. 

Alles über den DKJP 2021!

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Eure Kommentare

Aber wie konnten die Kinder ihr Mittagessen kochen und woher wussten sie wieviel Uhr es ist damit sie dran denken konnten? Weil so kleine Kinder ja noch nicht die Uhr lesen können und auch nicht kochen können.... Oder haben sie an dem Tag nur Obst gegessen oder so, denn das könnten sie (Banane schälen kann jedes Kind). Jedenfalls coole Idee! Aber bestimmt haben sie keinen Mittagschlaf gemacht... Ich denke erwachsene sind schon insgesamt wichtig. Aber echt cool, Kinder schaffen halt mehr als man denkt!

Ich auch 

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Interessant! 

Ich finde das ist total die gute Idee! Ich glaube aber auf dauer würde das nicht klappen, dass Kinder den Kindergarten leiten, aber das hätte ich auch gerne mal in meinem Kindergarten gemacht! Ich finde den Sinn dieses Projekt sehr gut und auch Sinnvoll!