Eure Geschichten

Das Le­ben ist zu kurz um nor­mal zu sein (Teil 8)

Was ist passiert?

Es war still, als wir schweigend nebeneinander her gingen und versuchten, nicht an das zu denken, was uns gleich erwarten würde. Am liebsten wäre ich wieder umgekehrt. Alles in mir löste Unbehagen aus. Bellas gequälter Gesichtsausdruck, unsere Schritte, die viel zu laut in dem leeren Gang hallten und der hellrote Geruch, der aus der angelehnten Tür des Ateliers strömte.

Es roch nach mehr als nur nach Farben. Ein modriger Geruch, der sich mit schwarzen Fasern durch das rot zog vernebelte mir das Gehirn. Schon jetzt fing mein Kopf an zu pochen. Aber ich musste Bella zur Liebe durchhalten. Dann öffnete sie die Tür und gab somit den Blick auf das Chaos frei. Obwohl alle Jalousien bis auf einen Spalt heruntergelassen waren, konnte man erkennen, dass hier kein Missgeschick geschehen war. Ich keuchte auf. Alle Leinwände lagen zertrampelt auf dem Boden und von dem einzigen Bild, das noch aufrecht stand, tropfe eine dunkle Farbe.

Bella ging näher und rief entzetzt : „Clara, das ist keine Farbe! Das ist Schlamm. Und das...“ Sie begann leise zu schluchzen. „Was ist denn?“, fragte ich so sanft, wie ich konnte. Doch auch meine Stimme zitterte. „Das war mein allerschönstes Bild. Für das habe ich am längsten gebraucht.“ In einer gewissen Weise war diese Situation ziemlich absurd. Wir standen in mitten von zerrissenen Leinwänden, über die jemand Schlamm gegossen hatte. Nichts war mehr von den Bildern zu erkennen, für die ich Bella so bewundert hatte. „Wer macht denn so etwas gemeines? Hast du irgendwelche Feinde?“ Sie antwortete nicht. Vielleicht hätte es ihr in diesem Moment geholfen, wenn ich sie umarmt hätte, aber das tat ich nicht, weil es nicht zu mir passte. Stattdessen hörte ich ihr zu. Ich hörte zu, als alles aus ihr heraussprudelte, was sie auf dem Herzen hatte. Sie erzählte mir, wie angespannt die Stimmung bei ihr zu Hause gerade war, weil ihr Vater seinen Job verloren hatte und erklärte mir, dass ihrem Bruder zu allem Überfluss auch noch sein Handy geklaut wurde. Von einem dunkelhäutigen Jungen, wie sich später herausgestellt hatte „Ich habe vorhin so falsch reagiert. Ich meine, nur weil dieser eine dunkelhäutige Junge meinen Bruder bestiehlt, muss nicht gleich jeder mit dieser Hautfarbe benachteiligt werden. Ich mag Tako doch eigentlich. Es tut mir so leid. Ich wollte einfach nicht riskieren, dass noch etwas schief geht.“ Die letzten Worte flüsterte sich nur noch, während ihr eine Träne über das Gesicht lief. Dann rang ich mich doch noch dazu durch, ihr die Hand auf die Schulter zu legen um sie zu einer Bank zu ziehen. Ich wusste ganz genau, was ich tun musste. Ich würde ihr mein Geheimnis anvertrauen.

Mein Geheimnis



„Weißt du Bella...“, begann ich, doch meine Stimme brach. Noch nie hatte ich mit einer gleichaltrigen Person über das gesprochen, von dem ich nun erzählen wollte. Bella hob den Kopf. „Weißt du...“, versuchte ich es erneut. Doch wackelte meine Stimme so heftig, dass ich trocken schlucken musste. Das Strähnenmädchen blickte mich an und sagte: „Egal, was du mir sagen willst, es ist egal, wie sich deine Stimme dabei anhört. Ich höre dir zu, weil du das auch bei mir gemacht hast.“ nach einem tiefen Atemzug begann ich von neuem. Und diesmal klappte es.

„Wusstest du, dass ich Farben riechen und hören kann? Das ist schon immer so. Manchmal ist es so stark, dass  mir schwindlig wird. Man nennt es Synästhesie. In der Grundschule hatte ich keine Freunde, weil mich alle für verrückt gehalten haben. In der fünften und sechsten Klasse war es aber allen egal, dass ich Synästhesie habe. Doch am Ende des Schuljahres kam ein neuer Schüler in unsere Klasse. Ihm  war das alles andere als egal. Es begann mit ein paar wenigen Hänseleien, aber nach und nach machten alle anderen mit. Nur meine beiden Freundinnen hielten zu mir. Ich war so froh, als das Schuljahr endlich vorbei war.“ Ich atmete auf. Diese Erlebnisse brachten so schlechte Erinnerungen zurück, dass ich mich bisher  nicht mal getraut hatte, sie aufzuschreiben. Es war eine Erleichterung, sie los zu sein. „ Aber nachdem wir weggezogen sind, ist der Kontakt zu den Freundinnen völlig abgebrochen. Ich wollte niemanden von der ganzen Sache erzählen, damit ich nicht wieder gemobbt werde.“ „Wow!“, flüsterte Bella. „Siehst du? Nicht mal du nimmst mich ernst.“, seufzte ich. Doch Bella widersprach: „Nein! So meine ich das nicht. Ich denke, dass Synästhesie total cool ist. Es ist etwas sehr besonderes. Ich würde es gerne können.“ „Was?“, rief ich. Konnte es wirklich wahr sein, dass Bella sich wünschte, etwas zu können, was ich mir seit Jahren wünschte nicht zu können? Als etwas besonderes hatte ich meine Gabe noch nie betrachtet. „Lass uns hier aufräumen.“, meinte sie und stand auf. Weil wir zusammenhalfen ging es wider aller Erwartungen ganz schnell. Wir wischten den Boden, sammelten die Leinwände auf und lüfteten den Raum. Dann stellte sich nur noch die Frage, was wir mit dem großen, beschmierten Bild anstellen sollten.

Ein Eis zur Belohnung



„Was ist den hier los?“, tönte auf einmal eine Stimme hinter uns. Thomas stand in der Tür und betrachtete geschockt, wie verweint Bellas Gesicht war. Dann entdeckte er ihr Meisterwerk. „Ist das...Schlamm?“, fragte er verwirrt. „Ja. Jemand hat Bellas wunderbare Bilder zerstört!“ „Komisch. Wer macht den so etwas? Es tut mir wirklich sehr leid.“, murmelte er.  „Warum bist du eigentlich noch in der Schule?“, fragte Bella. Thomas antwortete: „ Ich habe dich gesucht. Ich wollte fragen, ob ich nicht doch eine Rolle im Theaterstück haben kann. Beleuchter zu sein, ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.“ Bella warf mir einen Blick zu. Anscheinend hatte sie das Theater, genau so, wie ich völlig vergessen. „ Nein Thomas, das geht nicht. Jeder hat seine Rolle bekommen und die Beleuchtung der Bühne ist sehr wichtig.“ „Na gut.“, seufzte er resigniert und flüsterte dann etwas wie: „Immer muss ich die Drecksaufgaben erledigen.“ Dann verabschiedete er sich und verließ das Zimmer.

Bella und ich beschlossen schließlich, die Leinwand einfach stehenzulassen. „Wir haben nämlich genug getan. Was hältst du jetzt von einem Eis? “, war Bellas Kommentar dazu. Seltsamerweise fielen mir genau in diesem Moment ihre baumelnden Flip Flop Ohrringe auf. Doch dieses mal fand ich sie überhaupt nicht komisch. „Gerne.“, grinste ich und lief auf den Gang. „Wer zuerst am Ausgang ist!“ Während sich Bella lachend beeilte, mich einzuholen, begriff ich, dass das nach gelber Schokolade riechende Strähnenmädchen mit den baumelnden Ohrringen endlich meine Freundin geworden war.

Was bisher geschah....

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Eure Kommentare

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Das ist der beste Teil von allen!!!!!!!

(obwohl...)

Das kann ich noch gar nicht sagen weil ich die anderen noch nicht gelesen habe🙂

Freu mich jetzt schon drauf😉

Danke Kiebitz Girl!

Danke only gamer! Es kommen sicher noch mindestens drei Teile raus. Ich arbeite schon am nächsten. LG Mira1313 :)

Bitte schreib einen weiteren Teil! Deine Geschichte ist einfach der Hammer Freue mich schon mega auf den nächsten Teil

Herzlich Wilkommen auf Kindersache, Lotti H! Danke für das Kompliment!

Das ist eine richtig tolle GeschichteIch habe heute alle Teile gelesen da ich erst seit kurzem auf Kindersache unterwegs bin Freue mich schon auf weitere Teile

Hallo Sky, schön, dass es deine Lieblingsgeschichte ist! Ich freue mich total darüber. Die Geschichte geht natürlich noch weiter. Sonst könnte das Rätsel um die Sabotage ja nicht gelöst werden... deine Mira1313

Ich gehe mal davon aus das noch weitere Teile veröffentlicht werden. 

War das der Letzte Teil oder kommen noch welche. Ist meine Liblingsgeschichte