Die Ma­gie der Wün­sche - Ka­pi­tel 7

Ein trauriger Gedanke

Gestern hatte ich nämlich noch etwas herausgefunden. Auf dem Weg zu Oma war ich einem Jungen begegnet, der ziemlich traurig ausgesehen hatte. Ich muss auf der Straße leben. Meine Eltern sind bei einem Unfall schwer verletzt worden und ich darf und kann nicht mehr bei ihnen leben. Eigentlich müsste ich ins Kinderheim, aber ich lebe lieber auf der Straße. Das war in meinem Kopf aufgeploppt, als ich ihn angesehen hatte. Und ich glaubte nicht, dass dieser Junge das die ganze Zeit gedacht hatte. Nein, ich vermutete, dass ich nun auch die Gründe und Ursachen für Stimmungen bei Menschen und die Lebensgeschichten bei Menschen „lesen“ konnte. Das hatte mich natürlich total traurig gemacht - stellt euch vor ihr müsstet von einem Tag auf dem anderen auf der Straße leben, weil ihr nicht ins Kinderheim wollt! Das alles hatte ich Oma fast genau so erzählt. Sie hatte mir ganz still zugehört und manchmal genickt und immer verständnisvoll geschaut. Das fand ich echt nett von ihr!

„Scarlett! SCARLETT!“ Huch, dachte ich, wer ist das? Denn ich wurde plötzlich aus meinen Gedanken gerissen - von der schlimmsten Person, die mir je im Leben begegnet war: Mr. King. Ja, so hieß er wirklich. King wie König. Wir nannten ihn heimlich immer Mr. Burger King. Das sollte aber kein netter, sondern ein schlimmer Name sein! Denn wir mochten ihn alle nicht. Und er mochte uns alle nicht. Aber mich hasste er ganz besonders. Ich schaute ihn an. Und er starrte zurück. Es war wie ein kleines Blick-Duell - das ich gewann! Denn irgendwann schaute er auf einmal weg. „Scarlett Green! Könntest du mir bitte die Frage, die ich dir eben gestellt habe, beantworten?“ Mist, ich hatte nicht aufgepasst. 22 Augenpaar waren auf mich gerichtet. 22 Augenpaare warteten darauf, dass ich jetzt die richtige Antwort sagte. Ich starrte Mr. King an. Haha, die Frage wird sie nicht wissen. Sie hat nicht aufgepasst. Es wäre so einfach! Sie müsste mir nur den Namen eines Vierecks, das nur rechte Winkel hat sagen! Das weiß jedes Baby! So ein Fiesling! Der freute sich auch noch! Wenigstens konnte ich nun die richtige Antwort sagen. Da war es schon mal gut, Gedanken lesen zu können. „Quader!“, rief ich aus. Mr. King’s böse grinsende Miene verwandelte sich in einen sehr verdutzten, verwunderten und überraschten Gesichtsausdruck. Tja, damit hatte er nicht gerechnet. „Ahhh, richtig, genau. Danke Scarlett.“ Haha, diesen Kampf hatte ich gewonnen!

Gegen Ende des Schultages bekam ich dann doch ein schlechtes Gewissen. War das nicht schummeln gewesen? Eigentlich war es das gewesen. Vielleicht sollte ich mich bei Mr. King entschuldigen? Nein, auf gar keinen Fall! Nicht bei so einem Fiesling! Niemals! Die Frage ließ ich also erstmal unbeantwortet in meinem Kopf versauern. Gleich nach dem Essen setzte ich mich an mein Schlagzeug. Ich liebte es, darauf zu spielen und ich spielte täglich! Ich liebte es, neue Rhythmen zu erfinden und Lieder zu kombinieren. Ich ließ zuerst meinen Ärger vom morgen über Mr. King so richtig raus. Ich spielte furchtbar wilde Rhythmen und meine Schlagzeug-Stöcke flogen nur so über das Schlagzeug. Doch dann merkte ich, wie traurig ich noch immer über das, was dem Jungen gestern passiert war, war. Ich passte natürlich wieder meinen Spiel-Stil an. Aber dieser Junge beschäftigte mich irgendwie immer noch. Ich wusste nicht warum, er war einfach ein fremder Junge, ich kannte nicht einmal seinen Namen. Ich wollte dem Jungen helfen! Ich musste ihm helfen! Ich sprang auf und lief hinaus auf die Straße, wo ich mich erstmal nach ihm umsah. Aber ich konnte ihn nicht entdecken. Ich lief alle Straßen in unserem Viertel ab, aber er war unauffindbar. Schließlich schlenderte ich langsam wieder nach Hause. Fall ich diesen Jungen doch noch sehen sollte, wollte ich ihm unbedingt helfen!