Eure Geschichten

Vi­tae / Aus­schnitt 1. Ka­pi­tel, Teil 4

Endlich war sie im Turm oben angekommen. Kaum hatte sie ihr kleines rundes Zimmer betreten, gaben ihre Beine unter ihr nach.

Sie ließ sich auf den Teppichboden fallen. Sich vornüberbeugend saß sie da, den Kopf auf die Knie abgestützt und ihrem flatternden Herzschlag lauschend.

Ein Klopfen an der Tür störte den Rhythmus ihres Herzens.

Hastig rieb Aylin sich die Tränen aus den Augen.

„Ja?“, krächzte sie.

Die Tür öffnete sich langsam.

Rasch rappelte sie sich auf und kroch zu ihrem Bett. Sie lehnte sich gegen die Matratze und beobachtete wie ihre Großmutter das Zimmer betrat.

Shata sah zerzaust aus. Ihre grauen Locken waren rußgeschwärzt und ihr Kleid zerknittert. Ein seltsamer Kontrast zu ihrem stolzen Auftreten. Aylin fühlte sich unansehnlich und klein neben ihr.

Shata verzog das Gesicht als sie ihre Enkelin sah.

„Alina, Kind. Hier putz dir die Nase.“

Ein Stofftaschentuch landete in Aylins Schoß.

„Aylin.“, verbesserte Aylin sie. Sie hasste es, wenn Shata die italienische Version ihres Namens verwendete. Den Namen veränderte, den ihre Mutter für sie gewählt hatte.

Shata grunzte nur. Sie ließ sich auf Aylins Bett nieder und tätschelte dem Mädchen den Lockenkopf.

Bei der Berührung wich alle Spannung aus Aylins Körper. Leise schluchzte sie auf. Ihre Hände hatten sich in das Taschentuch gekrallt und sie fuhr krampfhaft die eingestickten Initialen ihres Großvaters, LC nach. Es war zu viel für diesen Abend gewesen. Für diesen Tag. Es war spät und sie hatte keine Kraft mehr.

„Das war meine Magie, oder?“, flüsterte sie schließlich.

„Ja. Ja, deine Mauer ist gebrochen.“

Shata zog ihre Hand zurück. Ohne die Berührung fühlte Aylin sich seltsam haltlos.

Das war er also gewesen. Der Moment auf den sie seit Jahren wartete. Endlich war ihre Magie frei. Die Mauer, die sie umschlossen hatte angerissen.

Sie hätte sich freuen müssen. Wie oft sie sich diesen Tag ausgemalt hatte. Wie sie sich fühlen würde. Doch alles was Aylin gerade fühlte, war Müdigkeit. Müdigkeit und Ziellosigkeit.

Obwohl ihr Weg schon immer klar war. Sie war dazu bestimmt, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Den Revoluzzern ihren rechtmäßigen Platz und Macht zurückzugeben. Ihr Ziel, oder?

Und nun war sie endlich dazu imstande, den ersten Schritt auf diesem Weg zu gehen.

Doch vielleicht war doch nicht immer der Weg das Ziel.

 

Das war's mit dem 1. Kapitel. Ich habe nun trotzdem auch diesen Teil noch veröffentlicht... :) Ich hoffe er gefällt euch! Danke für euer Feedback unter dem letzten Teil, ich habe mich so sehr gefreut!!

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Eure Kommentare

Oh Mann! Sooooo gut! 

Ich mag den Namen Aylin, aber auch Alina :)

Aber super Kapitel!

Echt super gut!

Wow, du schreibst soooo toll!