Die Ma­gie der Wün­sche - Ka­pi­tel 9

Kein Lagerplatz für Charlie?

Wir schlenderten durch die Straßen und redeten und redeten. Ich erzählte von mir, von meiner Familie und von Grace. Ich erzählte von Jacob und wie stressig es manchmal bei uns war und wie verzweifelt ich war. Dann fiel mir aber wieder ein, dass Charlie auf der Straße leben musste und sofort war mir klar, dass er ein viel größeres Problem hatte. Charlie führte mir noch ein paar Tricks mit Lukuko vor. Lukuko war wirklich lustig, er konnte sogar in ganzen Sätzen reden! Charlie brachte ihm auch bei, dass ich Scarlett hieß und Lukuko nannte mich immer Scarlett. Allerdings klang es bei ihm nicht so schön, muss ich sagen. Langsam zog sich der Himmel zusammen und es wurde immer dunkler. Nach und nach fing es auch an zu tröpfeln und schließlich standen wir im Regen. Leider hatten wir immer noch keinen Lagerplatz für Charlie gefunden - und mittlerweile hatte ich diese Hoffnung auch aufgegeben. "Scarlett, ich glaube nicht, dass wir heute noch einen Platz für mich finden. Schau, es regnet so stark! Ich werde einfach weiterhin überall und nirgendwo leben, das ist wirklich voll okay für mich! Bitte mach dir keine Sorgen um mich, ich komme sehr gut zurecht. Wenn du möchtest, können wir uns morgen nochmal treffen!", schlug Charlie vor. "Hmm, ja, können wir. Aber du willst wirklich hier im Regen übernachten?" "Ja, klar. Scarlett, ich habe es dir doch schon so oft gesagt: Ich habe keine andere Wahl..." "Okay, also, wie wäre es, wenn wir uns morgen einfach an der Straßenecke, wo du früher gewohnt hast, treffen?" "Machen wir so! Bis morgen!" "Bis morgen", rief ich ihm zu und machte mich dann auf den Heimweg.

Der Regen pritschte mir kalt und nass ins Gesicht und wurde immer stärker. Der arme Charlie, dachte ich. Ich hatte ihm angesehen, dass er sich sehr gefreut hatte, Gesellschaft zu haben, von der er nicht befürchten musste, dass sie ihn gleich ins Kinderheim steckte. Aber dennoch beschäftigten mich einige Fragen. Wie sollten wir mit Charlie weitermachen? Und sollte ich ihm von meiner magischen Fähigkeit erzählen? Ich hatte das Gefühl, in letzter Zeit nur noch Fragen im Kopf zu haben.

Neue Hoffnung

Zu Hause angekommen, setzte ich mich wieder ans Schlagzeug und spielte ein paar Rythmen. Am Abend rief ich noch bei Grace an. "Walker, hallo?", nahm Grace ab. "Hi Grace, ich bin's. " "Oh, hi Scarlett!" "Hast du einen Moment Zeit?", fragte ich das Telefon.  "Klar! Schieß los!" "Also, ja...ich bin irgendwann letztens einem Jungen auf der Straße begegnet. Also nicht richtig begegnet, aber ich habe seine Gedanken gelesen. Oder was heißt seine Gedanken...also...seine Vergangenheit halt. Und...er muss auf der Straße leben, weil seine Eltern bei einem schweren Unfall verletzt wurden, sonst müsste er ins Kinderheim. Jetzt lebt er einfach bei uns im Viertel und ich möchte mit ihm für ihn einen geeigneten Platz finden, wo er leben kann! Hilfst du mir dabei? Wir haben uns für morgen verabredet!" "Klar, gerne!" "Super, dann komm doch einfach nach der Schule mit zu mir!" "Super, dann bis morgen!" "Bis morgen!", rief ich ins Telefon und legte auf. Ich hatte damit gerechnet, dass Grace mir helfen würde, es war einfach ihre Art! Wenn Grace uns hilft, dachte ich, wird alles besser! Gerade, als ich mich an den Schreibtisch gesetzt hatte, klopfte es an der Tür. "Herein!", plärrte ich. Die Tür ging auf und Jonas stolperte ins Zimmer. "Hi Scarlett." "Hi, was willst du?", begrüßte ich ihn. "Ähh, Mama hat mich beauftragt dir zu sagen, dass du dein Schlagzeug putzen sollst. Sie hat gesagt, du könntest ja fast nicht mehr drauf spielen, so viel Staub wäre da drauf." Ich stöhnte, dann erhob ich mich und ging aus meinem Zimmer. Mein Schlagzeug war wirklich staubig, aber ich konnte noch darauf spielen! Ich holte den weichen Lappen und wischte das Schlagzeug einmal ab.

Am Abend schlief ich schnell ein. Heute hatte ich viel erlebt und Neues gelernt! Auch mit meiner Fähigkeit, Gedanken zu lesen, war es nicht immer einfach. Aber ich fand, dass ich schon ziemlich gut damit umgehen konnte. Allerdings musste ich aber auch noch einiges lernen, wahrscheinlich hatte ich noch nicht mal alle "Funktionen" entdeckt. Aber das würde ich morgen machen, denn heute war ich viel zu müde. Morgen war ein neuer Tag mit neuer Hoffnung!